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Studie stellt Standard infrage Den Stent braucht es nicht immer

Verengte Herzkranzgefässe liessen sich häufig auch nur mit einem medikamentenbeschichteten Ballon dauerhaft erweitern.

Fliesst kein Blut mehr durch die Herzkrankgefässe, wird es schnell gefährlich – lebensgefährlich. Die Standardreaktion der Ärzte: Die Gefässverengung mit einem aufblasbaren Ballon aufweiten und mit einem Stent dauerhaft dafür sorgen, dass das Gefäss an dieser Stelle offenbleibt.

Das kleine Röhrchen aus Drahtgeflecht ist heute der Goldstandard bei der Behandlung von Gefässverengungen. Es hat aber auch seine Nachteile: Verwucherungen oder Blutgerinnsel zum Beispiel, die je nachdem eine erneute Aufdehnung oder eine Bypass-Operation nötig machen.

Eine internationale Studie unter Federführung des Unispitals Basel zeigt nun eine gute Alternative für kleinere Gefässe bis drei Millimeter Durchmesser. Anstelle eines Stents wird in das zuvor aufgedehnte Gefäss ein mit Medikamenten beschichteter Ballonkatheter geführt.

Die Medikamente werden direkt in die Gefässwand abgegeben und verhindern dort spätere Verwucherungen. Der Ballon wird zurückgezogen, es bleibt kein Fremdkörper im Gefäss zurück.

758 Patienten in 14 Spitälern

Die im Fachmagazin «Lancet» publizierte Studie hat diese Methode mit dem Einsatz von Stents verglichen. Zwischen 2012 und 2017 wurden dafür 758 Patienten an 14 Spitälern in Deutschland, Österreich und der Schweiz einbezogen.

Die eine Hälfte wurde mit Stents, die andere mit Ballonkathetern behandelt. Bei beiden Verfahren war die Zahl der Herzinfarkte oder Todesfälle ein Jahr nach dem Eingriff praktisch gleich gross.

Kardiologen uneins

Studienleiter Raban Jeger, leitender Arzt Kardiologie am Unispital Basel, sieht verschiedene Vorteile in der «neuen» Methode: «Das Gefäss bleibt so, wie die Natur es erschaffen hat. Es kann ohne einengenden Stent verheilen und sogar wieder grösser werden.» Beim Stent bleibe es hingegen stets gleich. Und auch typische Probleme wie Instent-Restenosen oder Stentthrombosen könnten so verhindert werden.

Von der Ballon-Methode sind nicht alle Kardiologen überzeugt. So hält beispielsweise Franz Eberli, Chefkardiologe vom Stadtspital Triemli in Zürich, Stents für die sicherere Variante. Zwar würden die Stents das Gefäss auf kurzen Abschnitten steif lassen, das sei aber kein Problem. Und zu Stenosen komme es mit den heute verwendeten Stents kaum mehr.

Künftig weniger Stents?

Rund 45'000 Stents werden in der Schweiz jährlich gesetzt. Raban Jeger schätzt, dass es 10 bis 20 Prozent weniger sein könnten. Dass sie einmal völlig überflüssig sein werden, glaubt aber auch er nicht. «Seine» Ballonmethode versteht Raban Jaeger als Ergänzung und mögliche Alternative in bestimmten Fällen. Ob sie auch für grössere Gefässe taugt, müsste eine weitere Studie zeigen.

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