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Preisunterschiede – Aufgepasst bei der Operation des Grauen Stars
Aus Puls vom 08.10.2018.
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Teure Augen-Operationen Aufgepasst bei der Operation des Grauen Stars

Fast jeder ist im Alter damit konfrontiert: mit dem Grauen Star oder auch Katarakt. Die Augenkrankheit, bei der sich meist altersbedingt die Augenlinse trübt, kann mit einem kurzen Eingriff – dem Ersatz mit einer Kunstlinse – korrigiert werden. Es ist die häufigste Augenoperation überhaupt und wird ungefähr 100’0000 Mal pro Jahr in der Schweiz durchgeführt.

Wer diese Operation vor sich hat, sollte sich über die Operationsart und die Kunstlinse, die die eigene trübe Linse ersetzt, gut informieren. Besonders Zusatzleistungen, die von der Krankenkasse nicht übernommen werden, müssen gut überlegt sein.

Einerseits, ob diese wirklich nötig sind und andererseits, wie viel sie kosten. Denn viele Patienten bezahlen kräftig oben drauf für Speziallinsen, deren Aufpreis von Augenarzt zu Augenarzt verschieden ist, oder für Operations-Varianten, die eigentlich nicht nötig wären.

Operation mit Laser ist nicht besser als Skalpell

Die Katarakt-Operation ist auf zwei Arten möglich: mit dem Skalpell oder dem Laser. Während die Krankenkasse die konventionelle Methode mit dem Skalpell übernimmt, kostet die Laser-Methode in den meisten Augenzentren 2000 Franken pro Auge zusätzlich.

Die zwei Operationsmethoden im Detail

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Bei der konventionellen Operation benutzt der Augenchirurg das Skalpell, um drei Schnitte ins Auge vorzunehmen. Die sind nötig, um die trübe Linse mit dem Ultraschall zu zertrümmern, abzusaugen und anschliessend durch die Kunstlinse zu ersetzen, die der Patient im Vorfeld ausgesucht hat.

Die drei Schnitte können auch mit der sogenannten Femtosekundenlaser-assistierten Operationsmethode durchgeführt werden. Als zusätzlicher Schritt macht der Laser die trübe Linse weicher, bevor sie mit dem Ultraschall zertrümmert wird. Der Ultraschall ist so weniger lange im Einsatz. Danach erfolgt die Operation wie bei der konventionellen: alte trübe Linse raus, neue Kunstlinse rein.

Befürworter der sogenannten Femtosekundenlaser-assistierten Operationsmethode betonen die Präzision und die computergesteuerte Reproduzierbarkeit, die nicht abhängig von der Tagesform eines Chirurgen sei. Besonders bei Speziallinsen, bei denen zum Teil ein sehr genaues Ausrichten der Linsenachse wichtig ist, sei der Laser besser. Zudem wird diese Methode auf Informationsblättern für Patienten als sicherer und schonender angepriesen.

Tatsächlich hatte man sich von der Laser-assistierten Methode vor ein paar Jahren viel versprochen. Die heutige Studienlage bestätigt aber keinen Vorteil des Lasers. Die konventionelle Methode schneidet gleich gut ab bezüglich Sicherheit und bei der Frage, wie schonend das Verfahren ist. Dies bestätigten zwei Studien, welche dieses Jahr veröffentlicht wurden. Der Patient kann sich also den Aufpreis von 2000 Franken pro Auge sparen.

Gleiche Linsenart – unterschiedliche Aufpreise

Zudem muss der Patient entscheiden, welche Kunstlinse die eigene Linse ersetzen soll. Die Auswahl ist zwar überschaubar, deren Nutzen aber als Laie schwierig einzuschätzen.

Die Linsenauswahl im Detail

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Linsen, die einen Grauen Star korrigieren, werden direkt in das Auge eingesetzt. Sie werden Intraokularlinsen genannt.

Sphärische Standard-Linse

Die Intraokularlinse, die allgemein als Standard gilt, ist eine sogenannte sphärische und monofokale Linse. Sie bietet scharfe Sicht in die Ferne oder in die Nähe. Wer sich für die Sicht in die Ferne entscheidet, braucht danach meist eine Lesebrille. Ein älterer Mensch, der nicht mehr besonders aktiv im Weltgeschehen unterwegs ist, wird mit so einer Linse zufrieden sein.

Allerdings gibt es bei der sphärischen Linse optische Abweichungen, die sich Aberrationen nennen. Es sind Schärfefehler, die durch abweichende Brechung des Lichtes entstehen. Aus diesem Grund verzichten viele auf die sphärische Linse und wählen eine asphärische Linse, obwohl nur die sphärische Linse von den Krankenkassen übernommen wird. Alle anderen Intraokularlinsen gelten nach der Definition der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft (SOG) als Speziallinsen.

Asphärische Linse

Auch mit der asphärischen Linse sieht man entweder in die Weite oder in die Nähe scharf. Sie ist kugeliger geformt als die Standardlinse und bricht darum das Licht im Auge anders. Die Folge ist ein schärferes Sehen und ein besseres Kontrastsehen in der Nacht. Wie sehr ein Patient von der asphärischen Linse profitiert, ist unterschiedlich.

Es gibt asphärische Linsen, die einen durchschnittlichen, statistisch errechneten Schärfefehler korrigieren. Studien zeigen, dass sich solche Linsen grundsätzlich für die Standardversorgung aller Patienten eignet. Nur ein kleiner Teil der Patienten profitiert allerdings von dieser Linse. Zu diesen Patienten zählen vor allem jüngere Patienten, Autofahrer in der Nacht oder Patienten mit einem hohen Anspruch an das Kontrastsehen.

Da die Oberfläche der asphärischen Linse frei formbar ist, kann man die Schärfeabweichungen auch vollständig korrigieren. Dafür braucht es aber eine Vermessung des individuellen Auges und eine asphärische Linse, die anhand dieser Vermessung zugeschnitten ist.

In der Praxis ist es für den Patienten nicht so einfach ersichtlich, ob er eine asphärische Linse «ab Stange» erhält oder aber eine, die speziell für ihn vermessen wurde. Laut der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft muss dokumentiert werden, dass die asphärische Linse individuell berechnet wurde oder dem Patienten eine verbesserte Abbildungsqualität ermöglicht, um sie als Speziallinse zu verrechnen und einen Aufpreis verlangen zu dürfen. Allerdings wissen die meisten Patienten nichts von dieser Regelung. Sie kontrollieren darum auch nicht, ob diese Dokumentation erstellt wurde.

Multifokale Linse

Viele Patienten wünschen sich absolute Brillenfreiheit. Die multifokale Linse verspricht dies. Tatsächlich sind viele Patienten hinterher enttäuscht: Sie benötigen nach der Operation oft doch noch eine Brille oder beklagen sich über eine schlechtere Sehqualität. Wenn eine multifokale Linse, dann nur nach intensiver Vorbesprechung. Da die multifokale Linse eine individuell angefertigte Speziallinse ist, ist sie auch teuer. Der Patient sollte auch den Preis einer solchen Linse besprechen und bei verschiedenen Augenärzten vergleichen.

Torische Linse

Sie korrigiert eine Hornhautverkrümmung. Viele Augenärzte berichten von dieser Linse über gute Ergebnisse und zufriedene Patienten. Aber auch hier gilt: Spezialanfertigungen sind teuer. Man sollte sich ihren Einsatz gut überlegen, sich intensiv beraten lassen und auch nach den Preisen fragen.

Der Patient muss sich beim Aussuchen seiner asphärischen Linse bewusst sein: In den meisten Augenzentren muss der Patient einen Aufpreis für Speziallinsen aus der eigenen Tasche berappen. Und diese Aufpreise können ganz unterschiedlich hoch sein.

«Puls» hatte Zuschauer gebeten, Katarakt-Rechnungen einzuschicken. Die meisten Patienten, die eine asphärische Linse gewählt hatten, haben einen Aufpreis von 350 Franken pro Linse bezahlt. Andere mussten weniger aufbringen: 180 bis 290 Franken. Wieder andere mussten tiefer in die Tasche greifen und bezahlten 460 bis 580 Franken.

Augenärzte begründen die unterschiedlichen Preise mit dem Einkaufspreis, der sich je nach Bestellmenge ändert, mit der Qualität der Linse oder dem Standort des Augenzentrums. Tatsächlich ist der Aufpreis von Speziallinsen nicht reguliert. Es herrscht ein freier Markt. Nur die Standardlinse ist preislich an die Tarmed-Bestimmung «GI-20» gebunden, nicht aber der Aufpreis für Speziallinsen.

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Gregor Lüthy vom Bundesamt für Gesundheit: «Wenn es in den Zusatzleistungen weiter rauf geht, dann wird es für uns schwierig dort einzugreifen.»
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Tarmed sei schuld

Es gibt aber noch einen anderen Grund für die unterschiedlichen Preise: Seit Jahren kürzt der Bund die Tarmed-Vergütung für die Katarakt-Operation. Seit 2018 sind die Kürzungen so deutlich, dass viele Augenärzte monieren, sie würden mit der Katarakt-Operation Verluste schreiben. Die Aufpreise seien die Folge der drastischen Kürzungen des Bundes.

Besondere Leistungen wie Linsen oder spezielle Anästhesien würden nun zu eine Art Querfinanzierung für die Augenzentren, wie der Luzerner Augenarzt Dietmar Thumm bestätigt: «Wir sind eben in der Zwischenzeit an einen Punkt gekommen, wo wir das müssen. Was ich eigentlich nicht gut finde. Ich hätte lieber einen ehrlichen Tarif, der vergütet, was man verdienen darf. Ich meine, wenn etwas für einen Franken gerechnet wird und ich verdiene damit 82 Rappen, dann muss ich irgendwie probieren, das reinzuholen, was mir fehlt, weil ich sonst rückwärts mache.»

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Augenarzt Dietmar Thumm: «Wenn etwas für einen Franken gerechnet wird und ich verdiene damit 82 Rappen, dann muss ich irgendwie probieren das, was mir fehlt, wieder reinzuholen.»
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Es gibt auch Augenzentren, die keine Aufpreise verlangen für asphärische Linsen: Die Universitätsspitäler Bern und Zürich zum Beispiel, das Spital Münsterlingen oder das Kantonsspital Winterthur. Begründung: Eine asphärische Linse kostet im Einkauf gleich viel wie eine sphärische Standardlinse.

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Augenarzt Daniel Bruun: «Wenn ich mehr verlangen würde, dann könnte ich meinen Patienten nicht mehr in die Augen schauen. Ich darf am Material nichts verdienen.»
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Die Krankenkassen kontrollieren nicht, welche Linse eingesetzt wurde. Sie kontrollieren lediglich die Gesamtkosten der eingereichten Katarakt-Operation. Liegt diese innerhalb der Norm, geht auch eine asphärische Linse durch.

Ärzte wehren sich gegen Vorwurf

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) findet, die Kürzungen bei der Katarakt-Operation seien im richtigen Mass erfolgt und die Augenärzte könnten auch unter diesen Umständen immer noch wirtschaftlich arbeiten. Das BAG ist klar der Meinung, dass ein Arzt einen Patienten nicht als «Milchkuh» benutzen darf.

Die privaten Augenärzte und kleinen Zentren wehren sich gegen den Vorwurf der «Milchkuh»-Strategie: Die Spitäler würden genauso rückwärts machen mit der Katarakt-Operation und auch sie müssten querfinanzieren, um durchzukommen. Allerdings hätten sie im Spital ganz andere Möglichkeiten für eine Querfinanzierung und müssten dies nicht unbedingt über den Patienten tun.

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Jörg Stürmer vom Kantonsspital Winterthur: «Auch wir müssen im ambulanten Bereich kostendeckend arbeiten.»
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Der Patient muss sich selber informieren

Dem Patienten bleibt nur eins übrig: Er muss sich genau überlegen, ob er wirklich Speziallinsen braucht. Wenn ja, sollte er sich sehr genau über den Preis informieren – bestenfalls bei verschiedenen Ärzten.

Ein Problem bleibt: Er kann die Begründung eines Arztes für einen hohen Linsenpreis, etwa die Qualität der Linse, nicht überprüfen. Es ist nicht üblich, dass Augenzentren die Preise für ihre Linsen auf der Website veröffentlichen. Bis jetzt gibt es von der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft (SOG) auch keine Preisempfehlung für Speziallinsen, an der sich der Patient orientieren könnte. Auch zur Qualität der verschiedenen Linsen kann sich der Patient nirgends informieren. Also muss er seinem Augenarzt vertrauen – nicht ganz einfach bei diesem Hintergrund.

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