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Therapie bereits vor der Geburt

Forschern aus Deutschland und der Schweiz ist es gelungen, einen Gen-Defekt bereits im Mutterleib zu korrigieren.

Für Menschen mit der genetisch bedingten Erkrankung namens Ektodermale Dysplasie ist der Sommer die für sie schwierigste Jahreszeit: Ihnen fehlen die Schweissdrüsen, sie schwitzen nur wenig oder gar nicht. Auch schütteres oder gar kein Haar und fehlende Zähne sind typische Fehlbildungen der Erbkrankheit.

Ektodermale Dysplasie ist selten, in der Schweiz dürften weniger als 1000 Personen davon betroffen sein. Für Betroffene ist die Erkrankung zwar nicht lebensbedrohlich, mit gewissen Einschränkungen müssen sie aber leben lernen.

Ohne Schweiss kühlt der Körper nicht

An die fehlenden Haare und die künstlichen Zähne hat sich Jean-Pierre Fuhrer in der Zwischenzeit gewöhnt. Aber nicht schwitzen zu können, ist für den zweifachen Familienvater im Sommerhalbjahr ein Problem.

«Eine Wanderung von zwei und mehr Stunden bei mehr als 23 Grad ist unmöglich, da muss ich darauf verzichten», sagt Jean-Pierre Fuhrer. Wanderungen plant er deshalb vor allem im Frühling und Herbst und auch dann eher in den kühleren Morgenstunden.

«Auch im Frühling und Sommer sind meine Möglichkeiten begrenzt, da sich mein Körper rasch erhitzt», weiss Jean-Pierre Fuhrer aus Erfahrung. «Mehr als vier fünf Stunden am Stück zu gehen, ist für mich absolut unrealistisch.» Am liebsten reist er deshalb in den Norden oder wandert im schattigen Wald, oder dort, wo es an der Strecke Brunnen zum Abkühlen hat.

Heute engagiert sich Jean-Pierre Fuhrer als Mitglied der Selbsthilfegruppe in Deutschland und kümmert sich dort hauptsächlich um Anfragen Betroffener aus der Schweiz.

Eiweiss-Spritze in den Mutterleib

Für Betroffene wie Jean-Pierre Fuhrer gibt es nun erstmals Hoffnung. Zwar nicht für ihn direkt, aber für seine Nachkommen. Für den Gen-Defekt, der weitervererbt werden kann, gibt es möglicherweise eine Therapie.

Weltweit wurden dieses Frühjahr die ersten drei Kinder an der Kinderklinik Erlangen in Deutschland erfolgreich behandelt – und zwar noch vor ihrer Geburt.

Im Mutterleib löst ein Eiweiss – das beim Fötus normalerweise im Körper vorkommt – die Entwicklung für Haare, Zähne und Hautanhangsgebilde wie die Schweissdrüsen aus. Menschen mit Ektodermaler Dysplasie fehlt dieses Eiweiss.

Schluckimpfung für Föten

Dieses haben Mediziner an der Kinderklinik Erlangen erstmals in das Fruchtwasser von 26. Wochen alten drei Föten gespritzt. Die Therapie wirkt anschliessend wie eine Schluckimpfung. Die noch ungeborenen Kinder nehmen das Eiweiss über den Mund auf.

Die drei behandelten Kinder bildeten in der Folge tatsächlich Schweissdrüsen aus und entwickelten auch mehr Zähne als «unbehandelte» Kinder.

Klinische Studie geplant

Das Verfahren mitentwickelt haben Biochemiker an der Universität Lausanne. Diese hatten in Versuchen an Mäusen gesehen, dass – im Gegensatz zu «kranken» Mäusen – die behandelten Mäuse wieder behaarte Schwänze, dichtes Deckhaar und Schweissdrüsen an den Füssen hatten.

Damit die Fehlbildungen nicht entstehen, ist auch der richtige Zeitpunkt für die Eiweiss-Injektion entscheidend. Um die Therapie weiterzuentwickeln, finanziert die gemeinnützige Schweizer Stiftung namens «EspeRare» 2019 eine klinische Studie mit Patient.

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