Nicole Ebinger liess sich vor 20 Jahren ihre Sehschwäche in Karlsruhe mit einer Laserbehandlung korrigieren. Mit Erfolg. Über Jahre konnte die sportlich aktive Frau ohne Brille leben. Mit zunehmendem Alter kam aber die Alterssichtigkeit dazu. Auch die Sicht in die Ferne wurde schlechter.
Nicole Ebinger musste nun zu ihrem Unmut eine Gleitsichtbrille tragen. Dann kam noch der Graue Star dazu. Kurzentschlossen entschied sich die 59-Jährige diesen operieren zu lassen. Denn die Ärzte offerierten ihr die Möglichkeit, dass sie nach der OP wieder scharf in die Weite sehen könne.
Grauer Star mit Folgen
Doch es kam anders. Nach dem das erste Auge operiert war, sah Nicole Ebinger mit dem rechten Auge nur 40 Prozent. Ihre Enttäuschung war gross: «Ich ging davon aus, nach der OP würde ich wieder scharf sehen und ohne Brille durchs Leben gehen können.»
Schuld für diese Ungenauigkeit war die damalige Behandlung ihrer Sehschwäche mit dem Laser. Denn damals ahnte sie nicht, dass die Messdaten ihrer Sehschwäche vor 20 Jahren wichtig sind. Doch das sind sie: für die Berechnung der künstlichen Linse für die Operation des Grauen Stars.
Kein Einzelfall
Maya Müller, Cherfärztinder Pallas-Klinik, bestätigt, dass bei Nicole Ebinger die Datenlage unklar war. Die Folge: Die künstliche Linse für die Operation des Grauen Stars wurde zu schwach berechnet. Wären die Daten vor der Laserbehandlung von Nicole Ebinger vorgelegen, wäre die Berechnung exakter ausgefallen, ist sich die leitende Ärztin der Pallas Klinik Maya Müller sicher.
Nicole Ebinger ist kein Einzelfall. Denn viele Patienten, die sich lasern liessen, seien jetzt in einem Alter, in dem eine Operation des Grauen Stars ansteht. Jeder zweite im Alter von 50 bis 60 erkrankt am Grauen Star.
«Die Patienten erinnern sich gerade mal, dass sie gelasert worden sind», erklärt Maya Müller. «Aber die Daten haben sie oft nicht mehr.»
Brennpunkt versetzt
Mit der sogenannten Femto-Lasik-Laser-Technik wird die vordere Hornhaut im Mikrometerbereich abgetragen. Das versetzt den Brennpunkt auf die Netzhaut. Das Resultat: Der kurzsichtige Patient kann wieder scharf sehen.
Diese Veränderungen der Hornhautwölbung sind entscheidend für eine spätere Operation des Grauen Stars. Dafür berechnet der Arzt eine künstliche Linse, die die trübe Linse ersetzen soll. Damit er eine exakte Linse herstellen lassen kann, muss der Arzt berücksichtigen, dass die Hornhaut einmal durch den Laser verändert wurde. Fehlen die entsprechenden Daten, wird die Linse ungenau.
Der Weg zu einer exakten Linse
Um die Genauigkeit zu erhöhen, sieht David Goldblum von der Augenklinik des Unispitals Basel drei Faktoren, die helfen können. Die medizinischen Geräte, die das Auge und die Hornhaut messen, werden immer besser. Ebenfalls helfen moderne Formeln für die Linsenberechnung, die sich laufend entwickeln.
Der dritte Faktor sind die voroperativen Daten des Patienten: «Hat man die Daten von früher, bevor man sich lasern liess, kann man diese in die Formeln einfliessen lassen. Damit verringert sich das Risiko einer Fehlberechnung», sagt David Goldblum.
Patienten mit hohem Anspruch
Der Patient, der sich einer Laserbehandlung unterzog, hat einen Nachteil: «Jemand der nicht gelasert wurde, hat eine Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent, dass er die Korrektur erreicht, die mit dem Arzt besprochen wurde», sagt David Goldblum. «Bei gelaserten Patienten liegt die Wahrscheinlichkeit tiefer: bei 50 bis 70 Prozent.» Je grösser die Korrektur mit dem Laser war, desto eher kommt es zu Abweichungen.
Gerade Patienten, die sich lasern liessen, haben hohe Ansprüche an ihr Sehvermögen: «Sie wollen auch nach der Operation des Grauen Stars keine Brille tragen», Maya Müller von der Pallas Klinik.
In den meisten Kantonen gilt die Aufbewahrungspflicht der Patientendaten von zehn Jahren. Viele Laserkliniken bewahren die Daten über die gesetzliche Pflicht hinaus – allerdings nicht alle. Insbesondere bei ausländischen Laser-Centern ist die Gesetzeslage oft undurchsichtig. Nicole Ebinger liess ihre Augen in einer Klinik in Karlsruhe lasern. Ihr Versuch, an die Daten zu gelangen blieb erfolglos.
Lösung Augenpass
Die grösste Schweizer Laserklinik reagierte auf die Anfrage von «Puls»: Sie wird künftig allen Patienten einen Augenlaserpass aushändigen. Dort sind die wichtigsten Daten vermerkt. Wie beim Brillenpass, soll der Patient seinen Augenlaserpass aufbewahren.
«Heute würde ich mir alle meine Daten mitgeben lassen», sagt Nicole Ebinger. Bei ihr konnte zumindest das zweite Auge gut angepasst werden. Aufgrund der Erfahrungen mit dem ersten Auge kompensiert das zweite Auge die schlechte Sicht in die Ferne. So sieht sie, wie sie selber sagt, zwar nicht mehr so gut wie ein Adler, aber zumindest kann sie wieder ohne Brille durchs Leben gehen.