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Umgang mit Hörproblemen Trotz schlechten Ohren besser hören

Klänge und Stimmen zu hören, ist alles andere als selbstverständlich. Doch: «Wie wichtig Hören ist», sagt der Akustiker Matthias Schaffner, «wird einem erst dann bewusst, wenn ein Problem auftaucht.»

Arten von Hörproblemen

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Altersschwerhörigkeit: Bei dieser verbreitetsten Art von Hörproblemen handelt es sich um eine Abnutzungserscheinung. Sie kommt schleichend mit dem Alter. Vorbeugen ist kaum möglich. Das einzige, was man dagegen tun kann: sehr laute Schallereignisse über einen langen Zeitraum vermeiden.

Hörsturz: Dabei erleidet ein Betroffener einen plötzlichen Hörabfall – von einem Moment auf den anderen. Beim Hörsturz ist das Nervensystem im Innenohr betroffen. Die Ursache kann Stress oder ein generell schlechter Gesundheitszustand sein. Oftmals gibt es auch keinen ersichtlichen Grund. Ein Hörsturz kann jedem widerfahren, kommt immer wieder vor, ist aber nicht weit verbreitet. Er ist sehr unangenehm, da man diesen plötzlichen Gehörverlust realisiert. Solche Hörstürze können in seltenen Fällen regenerieren: Je schneller man auf einen Hörsturz reagiert, desto grösser ist diese Wahrscheinlichkeit. Deshalb sollte man sofort zum Ohrenarzt. Der Arzt kann durchblutungsfördernde Mittel oder Cortisol verabreichen.

Lärmbedingter Hörverlust: Häufiger Lärm kann das Gehör beeinträchtigen. Wenn jemand beispielsweise regelmässig in einer Band spielt, zusätzlich einmal in der Woche einen Club besucht und auch noch bei der Arbeit Lärm ausgesetzt ist, dann summiert sich das. Sowohl die Summe an Stunden als auch die Lautstärke entscheiden, wie stark das Gehör geschädigt wird. Die Folge davon ist typischerweise ein sogenannter Hochtonverlust.

Zum lärmbedingten Hörverlust gehört auch das Knalltrauma. Bei extrem lauten Ereignissen reichen selbst wenige Sekunden, um das Ohr oft nachhaltig zu schädigen: Etwa wenn ein Pistolenschuss oder ein Feuerwerk direkt vor dem Ohr explodiert.

Tinnitus: Der Tinnitus ist eine Wahrnehmung von einem Geräusch, das es nicht gibt – ein Fehlreiz an den Hörnerven oder im Gehirn. Dieses Ohrgeräusch kann sich auf verschiedene Arten bemerkbar machen: durch Rauschen, Pfeifen, Zirpen oder manchmal auch durch Brummen. Einen Tinnitus hat fast jeder einmal gehört. Wenn er über einen längeren Zeitraum über mehrere Stunden in einer lauten Disco war. Das ist ein temporärer Tinnitus und kommt von einer einmalig erhöhten Lautstärke. Er regeneriert sich meistens, kann aber auch bleiben, wenn es zu oft vorkommt. Auch durch ein Knalltrauma oder einen Hörsturz (vor allem beim stressbedingten) kann ein Tinnitus entstehen.

Tinitus muss nicht zwingend mit einem Hörverlust zusammenhängen. Häufig schildern Betroffene, dass das Ohrgeräusch unter Stress stärker wird, oder nachdem sie sich in lauter Umgebung befanden. Eine Therapie dagegen gibt es nicht. Die am weitesten verbreitete Lösung ist: akzeptieren und ignorieren.

Die Folge davon ist nicht selten Unmut im Umfeld. Das erlebte auch Willy Heckmann, der inzwischen Hörgeräte trägt: «Irgendwann merkte ich, dass sich meine Frau über mich ärgerte.» Wenn sie ihm nämlich etwas erzählen wollte, musste er mehrmals nachfragen, weil er sie nicht verstand.

Der Neuropsychologe Martin Meyer von der Universität Zürich kennt das Problem und ergänzt: «Interessanterweise leiden die Angehörigen von Schwerhörigen oft mehr als die Betroffenen selbst.» Meistens sind es die nahestehenden Personen, die ein Hörproblem erstmals ansprechen und Betroffene dazu motivieren, sich Rat und Hilfe zu suchen.

Was Menschen mit Hörschwäche das Hören erleichtert

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  • Blickkontakt und Lippenlesen ermöglichen: Gesicht zuwenden, Sonnenbrille abnehmen, nicht hin- und herlaufen, nicht von hinten ansprechen
  • Laut und deutlich artikulieren, aber nicht übertrieben und krampfhaft
  • Erklären, welches Gesprächsthema aufgegriffen wird

Hörgeräte helfen nur begrenzt

Betroffene gibt es einige: Bis zu einer Million Menschen in der Schweiz hören nicht gut. Davon tragen etwa 250'000 ein Hörgerät. Allerdings erhält man dank Hörhilfen kein perfektes Gehör zurück. Es bleiben Beeinträchtigungen beim Hören und Verstehen, ganz besonders in geräuschvoller Umgebung. Denn auch das beste Hörgerät hat Grenzen.

Hörhilfen verstärken zwar den Schall – sie sind ein gutes Hilfsmittel, wenn das Gehör zu schwach wird. Doch Geräusche verarbeiten können sie nicht. «Das Hörgerät kann nicht selektiv auf einzelne Hörquellen eingehen», sagt Akustiker Schaffner. «Somit kann es zum Beispiel bei Mehrpersonengesprächen, bei welchen durcheinander gesprochen wird, oder auch in lärmigen Situationen, eine einzelne Sprachquelle nicht herausfiltern.»

Diese Gewichtung von Hörinformationen, das Unterscheiden von Wichtigem und Unwichtigem, ist eine Aufgabe, die das Gehirn wahrnehmen muss.

So funktioniert das Hören

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Die Ohren sind nur Zulieferer: Ihre Aufgabe ist es, Schallwellen in Richtung Gehirn zu leiten. Im Innenohr wandeln feine Haarzellen den akustischen Schall in elektrische Signale um. Deren Sinn zu entschlüsseln, das ist Gehirnsache:

In der Hörrinde ermitteln spezialisierte Zellen die Bedeutung der elektrischen Signale. Gleichzeitig arbeiten Neuronen im Frontalhirn als Filter. Sie trennen wichtige von unwichtigen Informationen. Ein weiteres Areal verknüpft visuelle Botschaften, etwa Lippenbewegungen, mit Gehörtem.

Am Anfang braucht es Überwindung

Wer neu ein Hörgerät trägt, ist gefordert: Denn in der Angewöhnungsphase empfinden Hörgeschädigte jedes Geräusch als übertrieben. Sei es das Knarren der Treppe oder das Umblättern einer Zeitung – alles klingt unangenehm laut. Das auszuhalten, braucht Überwindung und Disziplin.

Neuropsychologe Meyer stellt fest: «Viele Betroffene, die neu ein Hörgerät tragen, machen den Fehler, dass sie schnell aufgeben. Sie legen das Gerät in die Schublade.» Dabei wäre es wichtig, gerade in den ersten Monaten seine Hörgeräte sehr lange zu tragen, am besten zwölf Stunden am Tag. Denn das Gehirn muss sich erst an die neuen Höreindrücke gewöhnen.

«Ein Hörgerät zu tragen, ist aber immer nur die halbe Miete», betont Meyer. Er weist darauf hin, dass Hören und Verstehen immer komplexe Hirnleistungen erfordern. Zum Teil lassen sich diese Fähigkeiten trainieren. Etwa indem man den Sehsinn nutzt, um das Hören zu unterstützen.

Hörlücken mit Lippenlesen kompensieren

Personen, die nicht mehr gut hören, können von visuellen Eindrücken profitieren. Also von direktem Blickkontakt und von den Mundbewegungen beim Sprechen. Diese visuelle Ebene besser zu nutzen, lässt sich üben. Hör- und Verständigungskurse von der Organisation namens Pro Audito legen darum grosses Gewicht auf das Lippenlesen. «Der aufmerksame Blick auf die Lippen des Gegenübers kann Hörlücken kompensieren», erklärt Ausbildungsleiterin Edith Egloff: «Man kann ungefähr 30 bis 40 Prozent des Gesprochenen, das man nicht versteht, anhand des Mundbildes ergänzen – also eine gute Ressource, die man im Alltag nutzen sollte.»

Hör- und Verständigungskurse gibt es in der ganzen Schweiz. Sie erreichen mit gut 2000 Besuchern pro Jahr aber nur einen geringen Teil der Betroffenen. Eine Ursache dafür dürften grundsätzliche Hemmschwellen sein, vermutet Edith Egloff: «Man muss sich immer outen, wenn man etwas nicht versteht. Das Problem ist unsichtbar, man muss immer wieder aufs Neue dazu stehen.»

Neuropsychologe Martin Meyer begrüsst das Konzept dieser Kurse: «In Gruppentrainings sind die Leute motiviert, der soziale Aspekt ist wichtig, und das gleichzeitige Trainieren von Hören und Sehen kommt der Natur unserer Sprache entgegen.» Denn die Mundbewegungen und die Lautsprache sind eng miteinander verbunden. Das merken etwa auch Menschen mit gesundem Gehör, wenn ein Film schlecht synchronisiert ist: Es stört unsere Wahrnehmung.

Nutzen von Gehirnjogging noch wenig erforscht

Eine weitere Möglichkeit, das Gehör zu trainieren, sind elektronische, kommerzielle Hörtrainings. Darunter sind Übungsprogramme, die das Gehirn rundum trainieren, die also Gehirnjogging anbieten. Andere Trainings richten sich speziell an schwerhörige Personen. Es gibt reine Online-Trainings und Trainings, die auf Übungsgeräten laufen.

Alle kommerziellen Hörtrainings haben ihren Preis. Deshalb sollte man sich bei solchen Angeboten gut über Preise und Bedingungen informieren. Sie können Hunderte Franken kosten – oder an den Kauf eines Hörgerätes gekoppelt sein. Wie weit sich solche Trainings im Alltag bewähren, wie und ob sie das praktische Hören verbessern, ist noch wenig erforscht.

Kostenlose Alternativen

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  • Nicht-kommerzielle Gratis-Trainings-Apps
  • Langsam gesprochene Radio-Nachrichten des Deutschlandfunks
  • Trainieren mit Hörbüchern

Den Sinn aus dem akustischen Brei herausschälen

Ebenso wenig ist geklärt, was beim Hören im Gehirn genau abläuft. Auf jeden Fall sind nicht nur zwei Hirnareale daran beteiligt, wie man lange dachte, sondern verschiedenste Netzwerke.

«Hören ist ein äusserst komplexer Vorgang», betont Martin Meyer. Wenn die Signale aus dem Ohr im Gehirn ankommen, beginnt die Arbeit erst: Dann müsse aus diesem akustischen Brei eine Bedeutung herauskristallisiert werden.

Noch viel Unbekanntes in diesem Feld

Die Hirnfunktionen, die für das Hören wichtig sind, bauen im Alter ab. Wie das Gehirn älterer, schwerhöriger Menschen Hörsignale verarbeitet untersucht Martin Meyer und sein Team in einer laufenden Studie. Und wie das Gehirn visuelle Eindrücke mit Gehörtem verbindet. Der Forscher erhofft sich unter anderem mehr Aufschluss über das Lippenlesen.

An dieser Gehör-Studie der Universität Zürich nimmt Willy Heckmann teil. Das hat seinen Umgang mit den Hörgeräten verändert: «Ich trage meine Hörgeräte heute mehr und regelmässiger als früher.» Auch versucht er heute bewusst, sich in geräuschvoller Umgebung auf Gespräche zu konzentrieren und gezielt zuzuhören. Er hat das Hören schätzen gelernt.

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