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Unterschätzte Bakterien Gesunder Darm, gesunder Mensch?

Das Mikrobiom beeinflusst nicht nur die Verdauung, es könnte auch bei Depressionen eine wichtige Rolle spielen.

Pizza, Burger, Softdrinks – zu viel Fast Food beeinflusst unsere Darmbakterien und vielleicht auch unsere Psyche. Genau das vermuten die Forscher Aytak Farsi und Achmed Hassan von der Universität Graz. Deshalb untersuchen sie das Verhalten von Mäusen, die ungesund ernährt werden.

So funktioniert die Verdauung

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Zunächst erledigt das Gebiss die grobe Zerkleinerung. Dann geht es hinab durch die Speiseröhre in den Magen. Etwa ein bis zwei Stunden verbleibt das Essen im sauren Bad.

Dann geht es weiter in den Dünndarm. Im vorderen Teil des Dünndarms leben noch keine Mikroorganismen. Er ist glatt und sauber. Der Darm arbeitet, oft ohne dass wir etwas bemerken. Rund drei bis sieben Stunden dauert es, bis der Dünndarm dem Essen die meisten Nährstoffe entzogen hat.

Tiefer im Darm, im Dickdarm, trifft der verbleibende Speisebrei auf das Mikrobiom. Bakterien, bestehend aus mehr als 1000 verschiedenen Spezies. Sie ernähren sich von Stoffen, die unser Körper bisher nicht verdauen konnte: von Ballaststoffen. Die Bakterien gewinnen daraus Energie. Laut Schätzungen liefert die Darmflora etwa zehn Prozent unseres täglichen Energiebedarfs. Zudem stellen die Bakterien Vitamine her, die unser Körper nicht produzieren könnte. Sie liefern auch Mikronährstoffe, die wir brauchen, um gesund zu bleiben. Der Dickdarm benötigt für die Verdauung die meiste Zeit: 25 bis 30 Stunden.

Am Ende ist das Essen praktisch vollständig verdaut. In unserem Stuhl finden sich nur noch abgestorbene Darmzellen und Bakterien.

Sie füttern ihre Versuchs-Mäuse entweder mit gesunden Körnern und getrockneten Gräsern oder mit einem Spezialfutter, das 60 Prozent der Kalorien in Form von Fett enthält, ähnlich wie Fastfood.

Nach acht Wochen untersuchen die Wissenschaftler das Verhalten der Mäuse. Setzt Aytak Farsi eine Körnermaus in einen Käfig, den diese noch nicht kennt, erkundet das Tier lebhaft die neue Umgebung.

Die mittlerweile dick gewordene Fastfood-Maus zeigt in derselben Situation wenig Lust auf Bewegung. Ein Hinweis auf Depressionen. Die Fastfood-Maus ist auch weniger gesellig. Sie nimmt keinen Kontakt zu Artgenossen in anderen Käfigen auf. Anders als die Körnermäuse bleiben sie lieber allein.

Verdacht im Tiermodell bestätigt

Die Untersuchung des Mäusekots zeigt, dass die Darmbakterien der Fastfood-Mäuse stark verändert sind. Kann das der Auslöser für ihr Verhalten sein? «Quote: «Um das herauszufinden», sagt Ahmed Hassan, «unterdrücken wir diese offenbar schädlichen Darmbakterien durch Antibiotika.»

«Wenn die Mäuse ihr depressives Verhalten dann wieder verändern, beweist das, dass die Darmbakterien für die Depressionen verantwortlich sind.» Die Vermutung erhärtet sich: Ein ungünstiges Mikrobiom kann bei Mäusen depressives Verhalten auslösen.

Depressive haben ein verändertes Mikrobiom

Auch der Psychiater Gregor Hasler hat in der Praxis bereits oft beobachtet, dass Depression und Darmprobleme zusammenhängen: «Beim Mensch wissen wir, dass Darmbakterien verändert sind, man sieht, dass die Vielfalt geringer ist als bei gesunden Personen.»

Lange habe man nicht gewusst, wie man das deuten soll: Ist es ein Zufallsbefund, weil sich depressive Personen weniger bewegen oder schlechter ernähren? Tierversuche zeigen: «Wenn man die Bakterien einer depressiven Person in eine gesunde Maus implantiert», sagt Gregor Hasler, «kann auch die depressiv werden.» Dadurch erhielt die Idee, dass veränderte Darmbakterien eine Ursache von Depression sein könnte, Aufschwung.

Laut Gregor Hasler waren die Modelle in der Psychosomatik bisher zu einfach. Der Einfluss vom Darm spielte bisher eine untergeordnete Rolle.

So kommunizieren Darm und Hirn miteinander

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  • Darm und Hirn kommunizieren rege über den Vagus Nerv. So gelangen über das Nervensystem Informationen vom Darm ans Hirn, aber auch umgekehrt.
  • Zudem beeinflussen die Bakterien im Darm auch die Hormonbildung. Botenstoffe gehen direkt ans Hirn.
  • Schliesslich befindet sich im Darm der grösste Teil unseres Immunsystems. Ist die Darmflora gestört, werden über den Blutkreislauf Signale ans Hirn gesendet.

Cocktail gegen Krankheiten

Auch bei anderen Hirn-Krankheiten wie Parkinson, Autismus oder Multiple Sklerose vermutet man, dass das Microbiom eine Rolle spielen könnte. Daran forscht Andrew MacPherson am Inselspital in Bern: «Ein Beispiel ist die Bakterienart mit dem Namen Blautia, die vielleicht einen positiven Effekt bei Parkinson zeigt, oder auch Laktobazillen die vorteilhaft sein könnten bei Depressionen. Es konnte gezeigt werden, dass bei Menschen, die solche speziellen Bakterien für ihr Mikrobiom einnehmen, der Krankheitsverlauf verbessert hat. Aber für die Frage weshalb...haben wir nur Hypothesen aus Tierexperimenten.»

Obwohl klar ist, dass das Mikrobiom bei diversen Krankheiten weniger vielfältig ist, mit Essen können wir unser Microbiom nicht kurzfristig beeinflussen. Ein Bakterien-Cocktail, der Depressionen und andere Krankheiten heilt, bleibt vorerst Zukunftsmusik.

Puls, 25.05.2020, 21:05 Uhr

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