Von Weltstars bis zur Hobby-Kickerin: Es kann alle treffen – mich inklusive. Denn auch ich mache beim Fussballspielen abrupte Richtungswechsel oder Drehbewegungen bei schnellen Täuschungsmanövern. Davon können die Adduktoren, eine Muskelgruppe auf der Innenseite des Oberschenkels, in Mitleidenschaft gezogen werden. Bei den Profis fallen deswegen fünf bis zehn Prozent der Fussballspieler zumindest einmal in ihrer Karriere aus.
Auch andere Sportarten belasten die Muskelgruppe stark. Martin Narozny, Sportmediziner an der Ortho Clinic der Hirslanden Klinik im Park, präzisiert: «Das gilt für alle Sportarten, bei denen Bremsen und Beschleunigen ein Thema sind.»
Zudem seien auch Athleten aus dem Laufsport und der Leichtathletik betroffen, sagt die Sportphysiotherapeutin Katrin Bernhardt, die im Verband Swiss Athletics tätig ist. Denn das wiederholte Abspringen und Landen oder auch aussergewöhnliche Hüftrotationen belasten die Adduktoren.
«Bermudadreieck» des menschlichen Körpers
Handelt es sich beim fiesen Ziehen im Oberschenkel nach dem Grümpel-Turnier wirklich um die Adduktoren? «Das ist auf den ersten Blick kaum zu beurteilen», sagt der Sportarzt Narozny. Denn die Anatomie der Leistenregion ist komplex: «Sie wird nicht ohne Grund als «Bermudadreieck» des menschlichen Körpers bezeichnet.»
Schmerzt es in der Leistenregion, können viele Ursachen dahinterstecken: mangelnde Rumpfkraft, falsche Knieposition, instabiles Fussgelenk, überlastete Muskeln, Dysbalance, Probleme im Hüftgelenk und die Schmerzen können auch von Nerven oder Gefässen ausgehen.
Sind tatsächlich die Adduktoren betroffen, trifft folgendes meist zu: «Die Muskeln wurden durch sehr intensives Training stark oder als Kompensation falsch beansprucht», erklärt die Physiotherapeutin.
Im Breitensport könne man sich an einer einfachen Faustregel orientieren, sagt Narozny: «Klingen die Schmerzen am selben Tag wieder ab, reicht es, sich zu schonen. Bleiben die Beschwerden aber über mehrere Tage oder Wochen bestehen, oder werden gar schlimmer, sollte man einen Facharzt aufsuchen.» Denn: «Sogar, wenn man gleich zu Beginn die richtige Therapie durchführt, können diese Verletzungen sehr hartnäckig sein.»
Doch wie kann man verhindern, dass es überhaupt so weit kommt? Die Ursachen sind individuell, aber diese Tipps könnten helfen:
- Adduktoren gezielt trainieren: Eine der bekanntesten Übungen ist unter dem Begriff «Copenhagen Adduction Excerise» zu finden.
- Umgebung wie Rumpf-, Bauch- und Rückenmuskeln stärken: «Stellt man sich vor, ein Schilfrohr im Wind zu sein und oben keine Stabilität zu haben, müssen die Wurzeln alles ausgleichen», zieht Narozny den Vergleich. Unsere Wurzeln sind die Adduktoren.
- Bewegungen korrekt durchführen: Sprünge und deren Landung, sowie schelle und ruckartige «Stop-and-Go»-Bewegungen können die Adduktoren besonders belasten. Als Voraussetzung dafür braucht es genügend Kraft, Balance und Stabilität.
- Richtig Aufwärmen und Dehnen: Je besser ein Muskel aufgewärmt wurde, desto geschmeidiger und damit auch weniger anfällig für Verletzungen ist er.
Adduktoren-Schmerzen vorbeugen – so geht’s
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Bild 1 von 9. So werden die Adduktoren gestärkt: Sich seitlich hinlegen, ein Bein anwinkeln, das andere vom Boden abheben. Bildquelle: ZVG.
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Bild 2 von 9. Wem dies noch nicht anstrengend genug ist, kann das eine Bein auf einen Stepper legen und das andere in der Luft halten. Wer keinen Stepper hat: ein umgekehrter Wäschekorb oder ein Bücherstapel tun es auch. Bildquelle: ZVG.
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Bild 3 von 9. Die sogenannte «hip bridge» oder «glute bridge» trainiert nicht nur die Gesäss- und hintere Beinmuskulatur, sondern auch die Adduktoren und den Rumpf. Ein Bein jeweils hochheben, die Hüfte geführt nach oben pressen und wieder senken. Mit der Beinposition – breiter oder enger – kann variiert werden. Bildquelle: ZVG.
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Bild 4 von 9. Klassische Übung mit dem Fitnessband: Ein Bein ins Fitnessband einschlaufen und zum anderen Bein hinziehen. Bildquelle: ZVG.
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Bild 5 von 9. Kniebeugen in breitem Stand: Sich in die Hocke absenken und mit Kraft wieder nach oben pressen. Im Gegensatz zur Kniebeuge in schmalem Stand werden hier auch die Adduktoren trainiert. Bildquelle: ZVG.
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Bild 6 von 9. Auf die Beinstellung achten: Knickt das Knie gegen innen oder aussen weg, muss die Beinachse korrigiert werden. Bildquelle: ZVG.
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Bild 7 von 9. Die Stabilität der Beinmuskeln kann beispielsweise auf instabilem Untergrund trainiert werden. Bildquelle: ZVG.
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Bild 8 von 9. Vor dem Sport rät Sportphysiotherapeutin Katrin Bernhardt, dynamisch zu dehnen. Eine Position also nicht einfach halten, sondern die Bewegung sanft abfedern. Bildquelle: ZVG.
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Bild 9 von 9. Eine statische Dehnübung für die Adduktoren, die sich nach dem Training empfiehlt. Bildquelle: ZVG.
Auch ich nehme dies mit ins Fussballtraining. Zwar machen Torabschlüsse besonders Spass, aber was ich auf keinen Fall mit Weltstars wie Neymar gemeinsam haben möchte: Eine langwierige Verletzungsgeschichte.