85.7 Jahre ist die Lebenserwartung von einem Mädchen, welches im vergangenen Jahr in der Schweiz zur Welt kam, Buben mit Jahrgang 2021 dürfen laut Bundesamt für Statistik auf 81.6 Jahre hoffen. Zum Glück: Die Zahlen zeigen, die Sterblichkeitsrate hat sich hierzulande stabilisiert, und zwar auf das Niveau vor der Corona-Pandemie. Damit gehört die Schweiz aber zur Ausnahme.
Weltweit hat die Corona-Pandemie in den vergangenen zwei Jahren die Sterblichkeitsrate in die Höhe getrieben. Eine Folge der vielen Menschen, die im Zusammenhang mit einer Coronavirus-Infektion starben: Der stärkste Einbruch der Lebenserwartung seit dem Zweiten Weltkrieg. Nur wenige Länder in Westeuropa, darunter die Schweiz, konnten sich von diesem Pandemie-Knick in der Kurve erholen.
Grosse Unterschiede zwischen Ost und West
In Osteuropa, etwa in Bulgarien, Russland, aber auch in den USA wird der Rückgang der Lebenserwartung länger spürbar sein als in Westeuropa. Das zeigt eine neue Studie über 29 Länder , in welchen europäische Forschende untersucht haben, wie sich die Lebenserwartung seit Beginn der Pandemie verändert hat.
Das Ergebnis: «Unsere Daten für das Jahr 2021 zeigen, dass der aktuelle Sterblichkeitsschock höchst ungleich bewältigt wird und die Lebenserwartungsunterschiede zwischen Ost- und Westeuropa vertieft», sagt Mitautor der Studie Jonas Schöley.
Der Einfluss einer hohen Impfquote ist positiv
Einen Teil der Erklärung sieht das Forschungsteam in der Impfquote. Die Daten zeigen, dass sich eine höhere Durchimpfungsrate über alle Altersgruppen hinweg positiv auf die Lebenserwartung auswirkt: Der Rückgang der Lebenserwartung verringerte sich in diesen Ländern seit Beginn der Pandemie.
Auffällig ist zudem, dass es eher reichere Länder sind, bei denen sich die Lebenserwartung stabilisiert hat. Neben der Schweiz ist das Frankreich, Belgien oder Schweden.
«Der Wohlstand eines Landes und ein damit verbundenes gut ausgestattetes Gesundheitssystem spielt hier eine Rolle», erläutert Mitautorin der Studie, Maxi Kniffka. Neben der Impfquote könnte auch das Gesundheitsverhalten innerhalb der Bevölkerung oder die Umsetzung von Massnahmen wie Maske tragen oder Abstandsregelungen eine Rolle spielen.
Höhere Sterblichkeit bei Jüngeren in den USA
Als «besonders tragisches Beispiel», bezeichnet Schöley die USA, denn: «Dem Land ist es zwar 2021 gelungen, die Sterblichkeit der über 80-Jährigen auf das Niveau vor der Pandemie zu normalisieren, allerdings stieg die Sterblichkeit bei den Jüngeren», sagt der Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für demografische Forschung.
Gründe könnten dabei auch in Vorerkrankungen wie Übergewicht und oder Diabetes liegen. Eine Entwicklung, die sich schon vor der Pandemie in den USA abgezeichnet hat und durch das Coronavirus noch verstärkt wurde.
Der Blick in die Geschichte lässt die Autorinnen und Autoren dennoch hoffen: Auch grössere Einbrüche in der Lebenserwartung, etwa nach den Weltkriegen, seien nach wenigen Jahren wieder aufgeholt worden. Und auch vergangene Krisen hätten den Trend zur steigenden Lebenserwartung nur unterbrochen, ihn aber bisher nicht aufgehalten. Wie lange es dauert, bis sich die Länder von der Corona-Pandemie erholen, bleibt also auch bei der Entwicklung der Lebenserwartung abzuwarten.