Bebaut, betoniert und asphaltiert: Während um uns herum stetig neue Strassen und Häuser entstehen, verwundert es nicht, dass Menschen ein grosses Bedürfnis nach allem haben, was wächst und grün ist. So holen sich viele Schweizerinnen und Schweizer Natur in die Wohnung – Monstera, Calathea, Efeutute: Menschen geht es besser, wenn um sie herum Pflanzen sind.
Pflanzen lindern Stress
Welche Einflüsse Zimmerpflanzen konkret auf das psychische Wohlbefinden haben, wurde bisher wenig erforscht. In den letzten 20 Jahren haben aber die sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse in diesem Themenfeld stark zugenommen. Grundsätzlich ist die positive Wirkung der Natur auf das menschliche Wohlbefinden wissenschaftlich gut belegt. «Wir können uns in der Natur gut erholen und Stress abbauen», sagt die Umweltpsychologin Nicole Bauer. Sogar psychische Krankheiten wie Depressionen kann das Erleben von Natur vermindern.
Stress, Erholung und Wohlbefinden
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Unter Stress werden üblicherweise zwei biologische Reaktionen gefasst, die kurzfristig nicht «schlecht» seien, so Bauer. Einerseits wird über das Rückenmark Adrenalin ausgeschüttet, andererseits läuft eine langsamere, hormonell gesteuerte Reaktion ab, die Cortisol freisetzt. Der Blutdruck steigt an, der Atem geht schneller und die Aufmerksamkeit wird geschärft. Zweitere ist von Bedeutung, wenn es um die Erholung in der Natur geht. Denn wer beispielsweise im Wald spazieren geht, bei dem passiert genau das Gegenteil davon. Die Stressreaktion geht zurück.
Ob Baum oder Topfpflanze: Das spiele gar nicht so eine Rolle, positive Effekte zeigen sich ohnehin, so Bauer. Eine
Studie aus den Niederlanden
zeigte beispielsweise deutlich, dass es Angestellten besser geht, wenn sich in den Büroräumen Topfpflanzen befinden. Die Angestellten meldeten sich weniger krank und waren zufriedener mit ihrer Leistung.
Auch bei Schülerinnen und Schülern zeigten sich ähnliche positive Effekte dank Zimmerpflanzen
. Umgeben von Gewächsen konnten sie sich besser konzentrieren. Ergo stiegen ihre schulischen Leistungen.
Fragen zu Farbe und Form noch ungeklärt
Doch was macht es aus, dass Pflanzen uns so guttun? Ist es die Farbe grün, die uns entspannen lässt? «Das wüsste ich auch gerne», so Bauer. «Aber wir wissen noch nicht, inwiefern Farben und Formen der Pflanzen eine Rolle spielen», so Bauer.
Naturerleben und Erholung: Zwei berühmte Theorien
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Zur Frage, wie die Natur die menschliche Gesundheit beeinflusst, haben sich zwei Theorien durchgesetzt:
Die psychoevolutionäre Stress-Erholungs-Theorie aus den 1980er Jahren besagt, dass Menschen sich insbesondere in der Natur erholen können, weil die Umgebung Interesse, Gefallen und Gelassenheit hervorruft. Eine Blumenwiese oder ein Fluss bindet unsere Aufmerksamkeit und schränkt dadurch negative Gefühle ein. Das Stresslevel sinkt. Das Wohlbefinden ist also eine körperliche und emotionale Antwort auf die natürliche Umgebung.
Anders die Aufmerksamkeits-Erholungs-Theorie. Es ist anstrengend, seine Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Aufgabe zu richten, weil wir dafür andere Reize ausblenden müssen. Auf Dauer nimmt diese Fähigkeit ab und wir werden müde. Die Theorie von den amerikanischen Psychologen Rachel und Stephen Kaplan erklärt die Erholung in der Natur damit, dass eine natürliche Umgebung keine gerichtete Aufmerksamkeit erfordert. Das ist insbesondere möglich, wenn uns beispielsweise eine Birke oder ein Sonnenuntergang an sich fasziniert, ohne dass wir uns anstrengen.
Die Umweltpsychologin empfiehlt, sich nur Zimmerpflanzen zu besorgen, die uns gefallen. «Ich hasse Gummibäume», so Bauer. Wäre ein solcher in ihrem Wohnzimmer, hätte er mehr negative Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit. Die positiven rein biophysikalischen Effekte wie mehr Feuchtigkeit und weniger Schadstoffe in der Luft würden die negativen Gefühle nicht ausgleichen, so Bauer. Grundsätzlich würde die Filterfunktion von Pflanzen quantitativ eher überschätzt. «Und wer nur eine Zimmerpflanze im Raum hat, wird von diesen Effekten wenig merken.»
Nicole Bauer
Umweltpsychologin
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Nicole Bauer forscht an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Die Umweltpsychologin hat sich die Einflüsse von der Natur auf die menschliche Gesundheit spezialisiert.
Ein wichtiger Punkt sei zudem die Pflege der Zimmerpflanze. «Wenn es meiner Pflanze gut geht, ist es gewissermassen mein Verdienst», so Bauer. Davon kämen Gefühle wie Zufriedenheit und Gelassenheit auf. Das beweist auch eine
Studie aus Taiwan.
Problem: Umweltbewusst und Zimmerpflanzen-Fan
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Wer umweltbewusst ist und möglichst mit kleinem ökologischem Fussabdruck leben möchte, könnte wegen Zimmerpflanzen in die Bredouille geraten. Oftmals kommen tropische Zimmerpflanzen von weit her und werden nicht nachhaltig aufgezogen. Wenn eine Person ein nachhaltiges Selbstkonzept hat, kann das zu gewissen Widersprüchen führen, sogenannter kognitiver Dissonanz. «Das wiederum verringert möglicherweise die positiven psychologischen Effekte von Zimmerpflanzen», vermutet die Nicole Bauer.
In Sache Nachhaltigkeit ist zudem interessant, dass Biodiversität unsere Erholung fördert. Die Umweltpsychologin arbeitete an
einer Studie
mit, die sich mit den Faktoren befasste, die die Erholung in Stadtgärten fördert. Die Resultate zeigen unter anderem: Je höher die Anzahl an Pflanzenarten im Garten, um so erholsamer wurde er eingeschätzt.
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