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Wenn eine Routine-Operation zu chronischen Schmerzen führt

Internationale Studien zeigen, dass bis zu zehn Prozent der erwachsenen Patienten nach einer Leistenbruch-Operation unter chronischen Schmerzen leiden. Die Ursache sind meistens Nervenreizungen, die während des Eingriffs entstanden sind.

Leistenbrüche treten bei Männern rund neunmal häufiger auf als bei Frauen. Das liegt am Körperbau: Beim Leistenkanal hat es eine natürliche Schwachstelle, denn dort treten beim Mann die Samenleiter durch die Bauchwand.

Zum Leistenbruch kommt es, wenn an dieser Stelle das Bindegewebe dem Druck von innen nicht mehr standhält und nachgibt. Die Folge: Das Bauchfell dringt durch die Bruchstelle und bildet den sogenannten Bruchsack. Dabei besteht immer die Gefahr, dass Teile des Darms in den Bruchsack rutschen und eingeklemmt werden. Deshalb sollte die Bruchstelle operativ verschlossen werden, bevor solch ein lebensbedrohlicher Zustand entsteht.

Operationstechniken

  • Jüngere Patienten bis zum 40. Lebensjahr, die zum ersten Mal einen Leistenbruch erlitten haben, werden meist nach der «Shouldice-Methode» operiert. Dies ist ein offenes Verfahren. Über einen rund 10 cm langen Schnitt wird die Bruchstelle eröffnet. Anschliessend wird das gerissene Bindegewebe schichtweise wieder zusammengenäht und die Leistenkanalinnenwand durch doppelte Nahttechnik verstärkt.
  • Das «Lichtenstein-Verfahren» kommt bei älteren Patienten zum Einsatz. Im Alter ist das Bindegewebe meist labil und neigt eher zum Reissen, so dass es nur schwer wieder zusammengenäht werden kann. Deshalb wird bei dieser Methode ebenfalls über einen Schnitt in der Leiste an der Bruchstelle ein Kunststoffnetz mit der Bauchmuskulatur vernäht. Das Netz löst sich teilweise wieder auf, der Rest verwächst mit dem umliegenden Gewebe. Die dabei entstandene Narbenplatte stabilisiert die Bauchwand und verhindert ein erneutes Auftreten eines Bruches.
  • Beim minimal-invasiven Verfahren führt der Chirurg seine Instrumente über drei kleine Hautschnitte im Nabelbereich ein. Das Kunststoffnetz wird über ein kleines Rohr eingeführt und innen an der Bauchwand fixiert. Die Vorteile diese Methode sind kleinere Hautschnitte und langfristig weniger Schmerzen. Es besteht jedoch ein höheres Risiko, dass beim Eingriff innere Organe wie etwa die Blase oder Gefässe verletzt werden.

Nervenreizungen

Die Leiste ist eine äusserst heikle Körperregion, in der eine Vielzahl von Nerven und Blutgefässen auf engstem Raum zusammenliegen, welche durch den Eingriff in Mitleidenschaft gezogen werden können. Nerven können durch Nähte verletzt werden, mit dem Kunststoffnetz verwachsen oder durch die Vernarbung gereizt werden. Zum Teil sind die Nerven während der Operation kaum zu sehen und können deshalb unabsichtlich durch die Operationsinstrumente verletzt werden.

Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass beim minimal-invasiven Verfahren die Nerven am meisten geschont werden. Experten betonen jedoch, dass nicht die angewandte Methode den grössten Einfluss auf das spätere Auftreten von chronischen Schmerzen hat, sondern wie erfahren der operierende Chirurg ist.

Studien zum Thema

Chronische Schmerzen

Verschieden Internationale Studien sprechen davon, dass bis zu 10 Prozent der erwachsenen Patienten nach dem Eingriff chronische Schmerzen entwickeln - etwa in der Leiste, im Bein, im Hoden oder am Hodensack. Schweizer Experten sprechen von 3 Prozent Betroffenen. Bei diesen Patienten seien die Schmerzen jedoch derart stark, dass sie bis zu einer Invalidisierung führen können.

Als unerträgliches Druckgefühl, Kribbeln oder Pulsieren beschreiben die Betroffenen das Leiden. Die Leiste rebelliert beim Gehen, beim Stehen, beim Tragen, beim Sport oder sogar beim Sex.

Therapie

Je nach Leidensdruck benötigen die Betroffenen eine interdisziplinäre Schmerzbehandlung. Dazu gehören diverse physikalische Massnahmen wie Elektrotherapie und Massagen. Akupunktur oder andere Therapien aus dem Gebiet der TCM (traditionelle chinesische Medizin) oder Naturheilkunde können ebenso hilfreich sein.

Bei der sogenannten Infiltration wird mehrmals ein lokales Betäubungsmittel in die Nähe der die Schmerzen verursachenden Nerven gespritzt. Dies soll die Nerven beruhigen und den Körper wieder vom Schmerz entwöhnen. Nebst der Infiltration umfassen die Therapiemöglichkeiten schwache bis starke Schmerzmittel, Antidepressiva und Antiepileptika.

Weitere Therapien sind schmerzstillende Salben oder Pflaster sowie die Reizstromtherapie zur Desensibilisierung der Nerven. Auch eine psychologische Betreuung kann helfen, da die Schmerzen nicht nur den Körper, sondern auch den Geist belasten.

In seltenen Fällen kann eine Neurektomie durchgeführt werden. Dabei wird der schmerzende Nerv operativ durchtrennt. Dieser Eingriff ist jedoch umstritten, da Langzeiterfahrungswerte fehlen.

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