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Zwei ineinander verschränkte Hände.
Legende: Palliative Pflege soll das Abschiednehmen für Patienten und Angehörige leichter machen. Photocase/Roodini

Wie wir mit Sterben umgehen Nur beim letzten Schritt ist Agnès alleine

«Der nahe Tod macht mir keine Angst», sagt Agnès Matti. Sie ist 59 Jahre alt und hat nur noch wenige Tage zu leben. Ihre Schwester und ein Palliative-Care-Team begleiten sie auf dem letzten Weg.

Müde und entkräftet liegt Agnès Matti auf den Kissen des Spitalbetts, beschützt von einem Baldachin aus orangen Tüchern über ihrem Kopf. Ihre Schwester Béatrice sitzt bei ihr und hält ihre Hand.

Ein Duft von Eukalyptus schwebt im Zimmer, es ist still und friedlich. Agnès Matti weiss: Ihr bleiben nur noch ein paar Tage – wenn überhaupt. Was hat sie für Gedanken?

«Ich habe keine Angst vor dem Tod, auch wenn er in der Nähe ist», sagt Agnès.

Vorbereiten fürs Danach

Als Hebamme in Afrika hat Agnès Matti während vieler Jahre Kindern ins Leben geholfen. Nun liegt sie, noch keine 60 Jahre alt, im Palliativzentrum des Inselspitals Bern.

Sie wird nicht mehr nach Hause zurückkehren, kämpft nicht mehr gegen den Krebs. Die Leukämiezellen in ihr haben endgültig Oberhand gewonnen.

Palliative Pflege

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Was passiert am Lebensende – und wie können Fachpersonen den Prozess begleiten? Um solche Fragen bemüht sich die Palliative Care. Im Spital gestalten interprofessionelle Palliative-Care-Teams mit Sterbenden und Angehörigen die verbleibende Lebenszeit – und planen, so gut es geht, die Sterbephase voraus.

Agnès Matti fühlt sich auf der Palliativstation sehr wohl. Betreut von Fachpersonen, die sie liebevoll pflegen, die ihre Schmerzen lindern, ihr zuhören, den letzten Weg mit ihr gestalten: «Sie liessen mir viel Zeit mit meinen Angehörigen. Wir konnten uns vorbereiten für die Zeit, wenn ich nicht mehr da bin.»

Viel Raum für Gespräche

Béatrice Matti, die in Spanien wohnt, hat ihre Schwester in den vergangenen Monaten so oft wie möglich besucht. Agnès habe lange gehofft, sie würde die Krankheit überwinden, sagt die Schwester.

«Sie fragte mich oft: Was würdest du an meiner Stelle tun?» Doch Agnès entscheide am Ende selber über ihren Körper, ihr Leben: «Das kann ihr niemand abnehmen.»

In den langen Gesprächen über Gott, die Welt und den Tod seien sie einander nahe gekommen, sagt Béatrice Matti. «Gewisse Spannungen zwischen Schwestern, die wir immer wieder hatten, sind wie verflossen.»

Neuer Leitfaden

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Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften hat ihre Richtlinien für Ärzte für den «Umgang mit Sterben und Tod» überarbeitet. Zentrales Thema dabei ist, wie man Sterbende betreuen und mit ihnen das Gespräch suchen soll.

Freude und Kraft geben

«Palliative Care» – das klingt nach Endzeit. Man ist überrascht, wie viel auf der Station auch gelacht wird. Leiter Steffen Eychmüller sagt, sie versuchten mit Patienten und Angehörigen einen Weg zu finden, das Beste aus der Situation zu machen. Herauszufinden, was ihnen Freude mache und Kraft gebe. Wie geht das?

Eychmüller erklärt: Er und sein Team versuchten zu verstehen, wo sich eine sterbende Person gerade befinde: «Wir müssen akzeptieren, dass wir auf dem Weg nicht mitgehen können – auch für die Angehörigen ist das zum Teil sehr schwierig. Wir versuchen, an diesem Prozess teilzuhaben und ihn gleichzeitig nicht zu stören.»

«Es ist eine schöne Aufgabe»

Das Team arbeitet interprofessionell, das heisst: Der Professor, die Oberärztin, Therapeutinnen und Therapeuten, Pflegende, Seelsorger – sie alle begegnen einander auf Augenhöhe. Hierarchien sind zweitrangig.

Das Verhältnis zu den Patienten sei intensiver als auf anderen Abteilungen, sagt Oberärztin Annette Wochner: «Wir haben hier Zeit für den Prozess, es ist eine Begleitung auf einem Weg. Das ist manchmal traurig, aber es ist eine schöne Aufgabe.»

Beiträge zu Palliative Care

«Puls»: Den letzten Abschnitt lebenswert machen
«Puls»: Der lange Weg zum guten Sterben
«Doppelpunkt»: Von den letzten Dingen
«Club»: Wenn Heilen nicht mehr möglich ist
«10vor10»: Das sanfte Sterben

Wie der Abschied aussehen soll

Agnès Matti war und ist mit dem Tod vertraut, in Afrika hat sie viele Mütter und Kinder sterben sehen. 2015 erkrankte sie an Leukämie, Anfang Jahr kam der Rückfall.

Die Tortur der Chemotherapie wollte sie nicht mehr erleiden. Sie versuchte Alternativen, machte eine komplementärmedizinische Behandlung in Arlesheim. «Aber wenn es nicht hält, dann hält es nicht, dann ist das mein Schicksal», sagt sie.

Das Inselspital in Bern bei Dämmerung, einzelne Fenster sind erleuchtet.
Legende: Das Inselspital in Bern: Hier wird Agnès Matti auf ihrem letzten Weg begleitet. Keystone

Wie ihr Abschied aussehen soll, hat sie mit ihren Liebsten längst besprochen. Die Urne ist ausgewählt, der Platz am Fluss bestimmt, wo ein Feuer für sie brennen und ein Fest gefeiert werden soll.

Béatrice Matti ist sehr traurig, ihre jüngere Schwester zu verlieren. Und doch: «Es ist schön, mit ihr mitgehen zu können bis kurz vor dem Ende. Den letzten Schritt muss Agnès dann alleine machen.»

Sendung: Radio SRF 4 News, Rendez-Vous, 17.11.17, 12.30 Uhr

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