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Yoga wissenschaftlich geprüft Über die Nutzen und Gefahren der indischen Bewegungslehre

Zwar wird Yoga im Westen mittlerweile in jedem Fitnessklub praktiziert, doch eine gewisse Aura von Friede, Erleuchtung und Räucherstäbchen hängt ihm dennoch hartnäckig an. Wissenschaftler untersuchen nun: Was sind eigentlich Nutzen, aber auch die Gefahren von Yoga?

Die erste grosse Yoga-Welle rollte zur Hippie-Zeit durch den Westen. Nun, im 21. Jahrhundert, ist Yoga alles andere als ein Zeitvertreib für Blumenkinder. Die indische Körpertechnik boomt und floriert. Yoga-Studios spriessen in westlichen Grossstädten allerorts aus dem Boden; mit Yoga-Mode, Yoga-Matten, Yoga-Mattentaschen, Yoga-Reisen und Yoga-DVDs ist viel Geld zu verdienen. In den USA gab es 2001 rund vier Millionen Yoga-Praktizierende – 2011 waren es erstaunliche 20 Millionen.

Grund genug für William Broad, einen renommierten Wissenschaftsjournalisten der New York Times und langjährigen Yoga-Anhänger, einmal festzustellen: Was weiss die Forschung – mit Studien verbrieft und abgestempelt – eigentlich darüber?

Von Zerrungen, Nervenschäden und Schlaganfällen

Die Recherche zu seinem Buch, «The Science of Yoga», führte ihn in die modernen Yoga-Studios. «Dort ging es viel anstrengender und kompetitiver zu als zu meiner Zeit». In einer anspruchsvolleren Klasse zerrte er sich gleich einmal die Kreuzmuskulatur.

William Broad fand bald heraus: Die Verletzungsgefahr ist das bestgehütete offene Yoga-Geheimnis. Das passte freilich nicht zum Image von Yoga als Gesund- und Jungbrunnen. Kein Wunder also, dass der Autor einem Teil der Yoga-Gemeinschaft eine Zeit lang als Feind Nummer eins galt. Doch er erinnert sich auch an herzzerreissende Briefe von Menschen, die das Verletzungsrisiko unterschätzt hatten: «Leute haben mir geschrieben, dass ihr Leben nun ein Trümmerhaufen sei. Ich erinnere mich an einen Brief von einem Mann. Er machte den Pflug (‹Halasana›) und erlitt dabei einen Schlaganfall.»

Einige Yoga-Lehrer meinen mittlerweile, dass man bestimmte Asanas (Yoga-Posen) nicht unterrichten sollte. Dazu zählen beispielsweise Pflug und Schulterstand, die den Nacken belasten. Auch der Lotussitz birgt seine Risiken, wenn man in ihm zu lange verharrt. Es drohen potenziell Nervenschäden und Kniebeschwerden.

Loren Fishman, ein Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin in New York, unternahm eine der ersten internationalen Bestandsaufnahmen über die Verletzungsgefahr bei Yoga. Er schickte dafür 33'000 Fragebögen an Yoga-Lehrer in aller Welt. «Die häufigsten Verletzungen sind im Kreuz, an der Schulter, im Nacken sowie im Handgelenk.» Und wer verletzt sich am ehesten? Yoga-Praktizierende, die zu schnell und zu ehrgeizig fortgeschrittene Asanas machen wollen. Männer verletzten sich ausserdem häufiger als Frauen, denn sie sind naturgemäss weniger flexibel.

Yoga im Labor

Es gibt hunderte, nach manchen Zählungen sogar tausende verschiedene Asanas. Forscher begannen nun, besonders häufige Posen auf ihre biomechanischen Eigenschaften hin abzuklopfen. So lässt sich bestimmen, wie man Asanas sicher praktizieren kann beziehungsweise wer bestimmte Übungen lieber bleiben lassen sollte.

George Salem leitet an der University of Southern California das Projekt YESS («Yoga Empowers Seniors Study»). Er bringt Yoga praktizierende Senioren in sein Labor, wo er sie quasi verkabelt. «Wir bringen Marker an Armen, Beinen, Händen, Füssen, Oberkörper und Kopf an. Wenn wir die Bewegung mit der Kamera aufnahmen, können wir verfolgen, wie sich die Winkel der Gelenke verändern.»

Das Forscherteam identifizierte den «Baum» als besonders empfehlenswerte Pose für ältere Menschen. Dabei steht man auf einem Bein. Das stärkt die Muskeln im Gesäss sowie an der Aussenseite der Oberschenkel. Und diese sind besonders wichtig für das Gleichgewicht. Eine gute Balance verhindert Stürze, die bei Senioren fast immer mit Komplikationen einhergehen.

Yoga schafft ein sonniges Gemüt

Yoga hat jedoch nicht nur nachweislich positive Auswirkungen auf den Bewegungsapparat. Wie ein Forscherteam der Boston und Harvard University herausfand: Die alte indische Bewegungstechnik hat das Potenzial zum Muntermacher.

Ein bestimmter Nervenbotenstoff im Gehirn namens Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) reduziert Ängste und steigert Wohlbefinden. Die Wissenschaftler verglichen die GABA-Werte von zwei Gruppen von Testpersonen: Eine Gruppe ging regelmässig eine Stunde spazieren, die zweite praktizierte Iyengar-Yoga. Die GABA-Werte der Yoga-Gruppe lagen deutlich höher. «Yoga knipst den inneren Sonnenschein an», fasst William Broad die Ergebnisse zusammen.

Die beiden Studien zeigten ausserdem: Je anspruchsvoller die individuelle Praxis und je ernster man sie nimmt, desto höher die GABA-Werte. Grund genug also für William Broad, weiterhin früh am Morgen aufzustehen und seinen Tag auf der Yoga-Matte zu beginnen. Mit Achtsamkeit und Konzentration aufs Hier und Jetzt.

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