Zum Inhalt springen

Konsens statt Konflikt So gelingen Gespräche über den Klimawandel ohne Streit

Sei es an einem Familienfest oder in einer Fernsehdebatte – bei Diskussionen zum Klimawandel wird es oft laut und hitzig. Doch statt im Streit können solche Diskussionen auch zu einem konstruktiven Gespräch führen.

Tante Anna schwärmt von ihrem Kurztrip per Flugzeug nach Teneriffa. Leonie, die Nichte von Anna, findet das weniger toll. Sie betont, wie schädlich Fliegen für die Umwelt ist. Tante Anna widerspricht – und das seit Jahren. Klimawandel? Panikmache, so drängend sei das alles nicht. Ihr individuelles Verhalten habe ohnehin keinen Einfluss auf die Erderwärmung.

Die Stimmung ist im Keller. Was wäre förderlich für das weitere Gespräch zwischen Anna und Leonie – in Zeiten, in denen Menschen am liebsten gar nichts mehr davon hören möchten?

Konsens aus Forschung hervorheben

Wie Gespräche rund um den Klimawandel am ehesten gelingen, dazu gibt es Forschungsergebnisse. Was hilft: Den Konsens, dass der Klimawandel real ist, hervorzuheben. Eine breit angelegte Umfrage in 27 Ländern zeigt: Diese Betonung überzeugt in Gesprächen über den Klimawandel.

Leonie könnte also zu Anna sagen: «Tante, praktisch alle Klimaforschenden sind der Meinung, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel real ist.»

Wie hoch ist der Konsens bei Forschenden?

Box aufklappen Box zuklappen

Wie viele aller Klimaforschenden würden folgender Aussage zustimmen: «Der vom Menschen gemachte Klimawandel findet statt?»

Dieser Frage ging ein Forschungsteam nach. Ihr Ergebnis: Wohl 99.9 Prozent aller Klimaforschenden.

Um den Wert zu berechnen, hat das Team 3000 zufällig ausgewählte Artikel aus über 88’000 klimabezogenen Artikel ausgewertet. Alle diese Artikel waren nicht älter als 2012 und wurden in Journals mit Peer-Review, also einer kritischen Begutachtung durch Forschende aus dem gleichen Fachgebiet, publiziert. Von diesen 3000 Publikationen waren nur vier Arbeiten skeptisch gegenüber der vom Menschen verursachten globalen Klimaerwärmung, also 0.1 Prozent.

Eine ältere Studie von 2019 kommt auf einen tieferen Wert von 97 Prozent. In dieser älteren Studie wurden 11’944 Studien aus den Jahren 1991 bis 2011 analysiert. Diese ältere und die neuere Forschungsarbeit zum Konsens zeigen, dass die Zustimmungsrate zur Aussage, dass der menschengemachte Klimawandel real ist, unter den Klimaforschenden über die letzten 30 Jahren zugenommen hat.

«Es ist sinnvoll, den enorm hohen Grad der Zustimmung immer mal wieder zu kommunizieren. Das hilft Menschen sehr, die komplexen Auswirkungen der Erderhitzung realistischer einzuordnen», betont auch Lea Dohm. Sie ist Psychologin und Autorin von Sachbüchern rund um Gefühle, Psychologie und Klimawandel.

Berichterstattungen zum Klima sind unbeliebt, da sie Stress auslösen.
Autor: Lea Dohm Psychologin

Doch wie weitere Studien zeigen, hilft das Betonen des Konsenses nicht nachhaltig. Tante Anna wird also vermutlich bald wieder von Panikmache sprechen. Denn für eine anhaltende Einsicht braucht es das Wissen, dass der Klimawandel einen selbst betrifft. Doch das hört niemand gern.

Gefühle anerkennen

Das betont auch die Psychologin Lea Dohm: «Berichterstattungen zum Klima sind unbeliebt, da sie Stress auslösen. Daher ist es wichtig, ausgelöste Gefühle und gegebenenfalls Abwehr zu validieren. Und konkrete, gemeinschaftliche Handlungsmöglichkeiten zu geben.»

Gefühle zu validieren, also zu benennen und anzuerkennen, und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen – das empfiehlt die Psychologin auch in ihrem Online-Leitfaden für Medienschaffende, den sie gemeinsam mit anderen Expertinnen konzipiert hat.

Das persönliche Gespräch

Zurück zu Leonie und ihrer Tante: Leonie könnte Annas Gefühle anerkennen und aufzeigen, dass der Klimawandel auch sie persönlich betrifft: «Auch mir wäre es lieber, wenn es nur Panikmache wäre. Aber leider drängt die Zeit.» Und dann könnte Leonie Handlungsmöglichkeiten geben: «Doch wir können was tun. Je weniger wir alle fliegen oder Auto fahren, desto besser fürs Klima. Reist du per Zug statt mit dem Flugzeug in die Ferien, trägst du dazu bei, dass wir in Zukunft nicht noch mehr Überschwemmungen haben. Und die Luft für uns alle wird so auch noch besser.»

Zusammenfassend sind das die Tipps aus Studien zur Klimakommunikation

  • Gefühle benennen («auch ich habe Angst»)
  • Die aktuellen Konsequenzen vor Ort aufzeigen («mehr Überschwemmungen in der Schweiz»)
  • Persönliche Betroffenheit schaffen («Die Natur liegt dir am Herzen»)
  • Handlungsoptionen und Lösungen aufzeigen («von Flugzeug auf Zug wechseln»), um so das Selbstwirksamkeitsgefühl zu stärken.

Wann lohnt sich ein Gespräch nicht mehr?

Box aufklappen Box zuklappen

Ein Gespräch lohnt sich dann nicht mehr, wenn Menschen hartnäckig Fakten leugnen. Doch Lea Dohm betont: «Hierbei handelt es sich um eine kleine Gruppe von Menschen. Bei allen anderen gilt es unbedingt, weiter im Gespräch zu bleiben und über die verschiedenen Implikationen der Klimakrise und unsere Handlungsmöglichkeiten aufzuklären.»

Und für Angehörige von Menschen, die jegliche Fakten zum Klimawandel leugnen und hingegen Verschwörungserzählungen glauben, können Beratungsstellen zu Radikalisierung und Extremismus weiterhelfen. Eine solche Fachstelle gibt es zum Beispiel in Bern oder in Winterthur. Weiterhelfen kann gegebenenfalls auch die Beratungsstelle von infosekta.ch.

Vielleicht helfen diese Tipps bei der nächsten Familienfeier. Um nicht in einem Streit zu laden, sondern in einem konstruktiven Gespräch mit mehr Einsicht für alle.

Radio SRF, Echo der Zeit, 5.6.2025, 18 Uhr

Meistgelesene Artikel