In den nächsten zwei Wochen zerbrechen sich die Mitgliedsstaaten des Pariser Klimaabkommens in Glasgow den Kopf, wie das 2-Grad-Ziel eingehalten werden kann, das 2015 in Paris verabschiedet wurde. Dabei zeigen mehrere Analysen schon jetzt, dass sich die Welt trotz der Klimapläne bis 2100 um 2.7 Grad erwärmen wird.
Wir alle wissen, dass es höchste Zeit ist, unser Leben umzustellen. Warum schaffen wir es nicht? Umweltpsychologe und Klimaforscher Gerhard Reese erklärts.
Gerhard Reese
Umweltpsychologe
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Gerhard Reese ist Umweltpsychologe und Klimaforscher an der Universität Koblenz-Landau und leitet den Studiengang "Mensch und Umwelt: Psychologie, Kommunikation, Ökonomie".
SRF: Herr Reese, was ist Ihrer Meinung nach die bessere Taktik: Klimaschonendes Verhalten belohnen oder klimaschädigendes Verhalten bestrafen?
Gerhard Reese: Für manche Menschen kann es sehr motivierend sein, für klimaschonendes Verhalten belohnt zu werden. Das muss nicht monetär sein: Wenn Leute, die mit dem Velo ins Unternehmen kommen, einen Urlaubstag mehr bekommen, kann das durchaus pushen.
Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass Verbote dabei helfen, Verhaltensweisen zu ändern. Nehmen wir den Raucherschutz: Seit 2010 gilt schweizweit ein Rauchverbot in geschlossenen Räumen. Das wäre ohne ein Gesetz nicht so weit gekommen. Ich denke, an solchen Verboten werden wir auch beim Klimaschutz nicht vorbei kommen.
Das Pariser Abkommen von 2015
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Das Abkommen von Paris verfolgt drei Ziele:
Die Staaten setzen sich das globale Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf «deutlich unter» zwei Grad Celsius zu begrenzen mit Anstrengungen für eine Beschränkung auf 1,5 Grad Celsius.
Die Fähigkeit zur Anpassung der Staaten an den Klimawandel soll gestärkt werden und wird neben der Minderung der Treibhausgasemissionen als geleichberechtigtes Ziel etabliert.
Die Finanzmittelflüsse sollen mit den Klimazielen in Einklang gebracht werden.
An welche denken Sie konkret?
In Ländern wie Deutschland oder der Schweiz von A nach B zu fliegen, ist absurd. Ein Verbot von Inlandsflügen würde nur wenige Menschen betreffen, hätte aber Symbolcharakter. Auch bei der alltäglichen Mobilität braucht es Einschränkungen.
Es muss unbequem und anstrengend werden, ein Auto zu fahren.
Es wird vermutlich schwierig, SUV-Besitzern das Fahren zu verbieten.
Die Frage, die man sich stellen sollte, ist doch: Warum fahren die Leute überhaupt SUVs? Weil sie von der Industrie vermittelt bekommen, dass sie solche Autos brauchen. Eine Einschränkung der Werbung, wäre also eine Stossrichtung. SUVs wirken zudem oft aggressiv. Sie vermitteln den Fahrerinnen und Fahrern das Gefühl, andere aus dem Weg räumen zu können. Viele fühlen sich auch sicherer darin. Wenn immer mehr Menschen so ein Auto fahren, führt das zu einem selbstverstärkenden Kreislauf. Sprich: Es muss ein noch fetteres Fahrzeug her.
Wie stoppen wir das?
Eine Lösung wäre: Autostrassen verkleinern, Parkplätze massiv verringern und Tempolimits einführen. Es muss absolut unbequem und anstrengend werden, ein Auto zu fahren – gepaart mit einem ÖV, der funktioniert.
Eigentlich ist es ja machbar, in die S-Bahn statt ins Auto zu steigen oder auf Fleisch zu verzichten. Warum fällt uns selbst der kleinste Verzicht so schwer?
Das liegt unter anderem daran, dass wir in sozialen Normen gefangen sind. Wenn ich damit aufgewachsen bin, dass es jeden Tag Fleisch gab, braucht es schon eine krasse Lebensveränderung um diese Routine zu durchbrechen.
Die Mechanismen unseres Nicht-Handelns
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Aus Sicht der Klimapsychologie ruft die Klimakrise in uns tiefgreifende Gefühle wie Angst, Schuld, Verzweiflung und Scham hervor. Weil die ständige Auseinandersetzung damit sehr, sehr unangenehm für uns ist, verbannen wir sie aus unserem Bewusstsein.
Dabei helfen uns Abwehrmechanismen. Ein Beispiel ist die Dissoziation, die «Doppelte Buchführung»: Wenn wir dissoziieren, rechtfertigen wir unseren Langstreckenflug damit, dass wir auf Fleisch verzichten.
Projektion ist, laut einer Untersuchung von Berliner Umweltpsychologen, ein weiterer Mechanismus: Wir unterstellen in Anderen umwelt-schädliches Verhalten, um uns selbst besser zu fühlen. So werfen viele der Generation Z vor, konsumgetrieben zu sein und reisen zu wollen - und untergraben so die Glaubwürdigkeit von Fridays for Future.
Dass der Coffee-To-Go-Becher und unser Auto sich unmittelbar aufs Klima auswirkt, ist für uns zu abstrakt, weil wir die Folgen nicht jetzt vor Augen haben – sondern erst in vermeintlich «ferner Zukunft».
Wenn Sie das so sagen, klingt es anstrengend.
Ja, es ist eine kognitive Anstrengung. Verhaltensänderungen sind anstrengend weil sie Zeit brauchen und ich sie mir immer wieder vornehmen muss. Es ist selten so, dass sich eingefahrene Routinen vom einen Tag auf den anderen ändern. Das wissen Raucherinnen und Raucher bestens.
Bei Raucherinnen droht der Lungenkrebs. Braucht es also noch mehr Extremwetterereignisse?
Die negative Antwort ist: Ja. Was besser wäre, ist eine Politik, die der Bevölkerung die Dringlichkeit noch viel besser vermittelt. Ausserdem müssen wir noch mehr darüber sprechen, dass die Klimakrise auch eine Chance ist. Wir müssen aufzeigen, wie toll es etwa sein könnte, in Städten zu leben, in denen aus Parkplätzen Parks werden, Gemüse wächst und die Luft sauber ist.
Tipps, wie wir endlich ins Handeln kommen
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Implementierungsintentionen setzen:
Konkret bedeutet das, dass ich mir vornehme, ab Tag X etwas anders zu machen. Die «Big Points» auf individueller Ebene sind vegetarische Ernährungsweise, Verzicht aufs eigene Auto, das Flugverhalten und Heizen. Unter dieses Vorhaben setze ich meine Unterschrift.
Den «Plan B» parat haben:
Ich notiere mir auch, was ich mache, wenn es an dem Tag schiefgeht – wie also eine Alternative aussehen könnte, die ich trotzdem umsetzen kann.
Andere mit ins Boot holen:
Am besten klappt das, wenn ich es mit ein paar Menschen zusammen mache. Das offiziellere Setting ermöglicht eine höhere Verbindlichkeit.
Sich der kollektiven Wirksamkeit bewusst werden:
Alleine kommt schnell der Gedanke auf: Was bringt mein Einsatz überhaupt? Wenn's um Klimaschutz geht, können wir das Gefühl von Selbstwirksamkeit nicht befriedigen, haben also nicht den Eindruck unser Ziel wirklich zu erreichen. Unsere Motivation sinkt. Wir müssen deshalb wegkommen vom Anspruch, meinen Beitrag sehen zu müssen. Sprich: Nicht aufgeben, weil mein Verzicht auf Plastik und Fleisch den Temperaturanstieg noch nicht gestoppt hat. Besser ist es, das Ziel als Gesellschaft, als Gemeinschaft, als Nachbarschaft erreichen zu wollen.
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