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Massiver Gletscherschwund Gletscherjahr 2025: Wie die Eisriesen dahinschmelzen

2025 verloren die Schweizer Gletscher drei Prozent ihres Volumens – der viertgrösste Eisverlust seit Messbeginn.

Wer in diesem Sommer auf den Claridenfirn im Kanton Glarus (GL) blickte, sah eine karge Eisfläche ohne jede Schneedecke – ein Anblick, der früher undenkbar war. Am Vadret da Morteratsch (GR) setzte die Schmelze schon Ende Juni ein, so früh wie kaum je zuvor. Und am Rhonegletscher (VS) wuchs der türkisfarbene See vor der Zunge rasant, während die berühmte Eisgrotte endgültig aufgegeben werden musste.

Über 1000 Gletscher schon weg

Laut dem Schweizerischen Gletschermessnetz GLAMOS schrumpften die Gletscher in den letzten zwölf Monaten um rund drei Prozent – nur die Jahre 2022, 2023 und 2003 verzeichneten noch grössere Verluste. Damit reiht sich 2025 in ein Jahrzehnt mit dem deutlich schnellsten Eisverlust ein: Seit 2015 haben die Gletscher ein Viertel ihres Volumens eingebüsst. Seit 1970 sind bei uns über 1000 Gletscher verschwunden.

Wie es zum aktuellen Gletscherschwund kam

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Der Winter 2024/25 brachte wenig Schnee und war der drittwärmste seit Messbeginn. Ende April lag auf den Gletschern 13 Prozent weniger Schnee als im Durchschnitt der Jahre 2010–2020. Der zweitwärmste Juni aller Zeiten liess die Schneereserven früh schmelzen, sodass die Gletscherzungen vielerorts schon früh im Jahr ungeschützt der Sonne ausgesetzt waren. Eine kurze Abkühlung im Juli konnte den Trend nur vorübergehend stoppen, da im August bereits die zweite Hitzewelle des Sommers folgte.

«Die stetig schwindenden Gletscher tragen dazu bei, dass sich das Gebirge destabilisiert», sagt der Glaziologe Matthias Huss, Leiter GLAMOS. Dies könne zu Ereignissen wie im Lötschental führen, wo im Mai eine Fels-Eis-Lawine das Dorf Blatten verschüttet habe. Man gehe davon aus, dass bis zum Ende dieses Jahrhunderts ein Grossteil unserer Gletscher verschwinden werde und anstatt der Eisriesen nur noch Geröllfelder zu sehen seien.

Toteis, Sterbebegleitung und Geröll

Wenn die Gletscher als natürliche Wasserressourcen fehlen, habe dies insbesondere während Hitzewellen und Dürreperioden Folgen für unsere Wasserversorgung und die Stromproduktion.

Gletscherjahr 2025: Wie die Eisriesen dahinschmelzen

Seit fast 20 Jahren erforscht Huss den dramatischen Gletscherschwund in den Schweizer Alpen und macht eine Art Sterbebegleitung. Zum Beispiel sei es beim Pizolgletscher (SG) wie bei einem schwerkranken Patienten gewesen, sagt er. 2018 sei damals die klare Diagnose gewesen, dass er nicht mehr lange da sein würde. Im Extremjahr 2022 sei es dann fertig gewesen, alles weg, zerfallen. Doch versteckt finde er weiterhin etwas Toteis unter dem Geröll als Überbleibsel vergangener Zeiten.

Die Gletscherlandschaft verändert sich vielerorts rasant. So musste etwa der Betrieb der Eisgrotte am Rhonegletscher diesen Sommer eingestellt werden. Denn der Eisblock, der längst vom Gletscher getrennt war und nur noch künstlich mit Tüchern geschützt wurde, ist zu klein und zu dünn geworden.

2025: Folgen des schneearmen Winters und der Hitzewelle

Ungewöhnlich sieht auch das künstliche Konstrukt aus Schnee über dem ehemaligen Gletscher bei der Diavolezza (GR) aus, der vor rund 15 Jahren vollständig verschwand. Er ist der einzige Gletscher, der ausschliesslich dank Snowfarming und Abdeckung in einer unnatürlichen Form erhalten bleibt. «Das ist aber keine idealisierte Gletscherrettung, sondern dort geht es um den Wintersport», sagt Huss. Vor Ort würde der Schnee mit Pisten-Fahrzeugen zu einem Haufen zusammengetragen und mit weissen Tüchern durch den Sommer gebracht, um im Herbst zeitig eine gute Piste erstellen zu können.

«In rund zehn verschiedenen Schweizer Skigebieten wie beim Gurschengletscher auf dem Gemsstock (UR), auf dem Titlis (OW) oder in Zermatt (VS) managt man das Abschmelzen der Gletscher ebenfalls mit Vliesabdeckungen», sagt Huss. Allerdings würde man dort – anders als beim Diavolezza – nur die neuralgischen Punkte abdecken, um weiterhin Skifahren zu können. Dennoch könnten die Gletscher der Schweiz unmöglich mit technischen Massnahmen, sondern nur durch wirksamen, weltweiten Klimaschutz noch zum Teil gerettet werden.

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Radio SRF 4 News, 1.10.2025, 9:00 Uhr

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