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Noch kein genauer Plan Netto-Null-Ziel bis 2050: Wie kann die Schweiz das erreichen?

Die Schweiz hat sich viel vorgenommen: Bis im Jahr 2050 netto keine Treibausgase mehr ausstossen. Jetzt suchen Forschung und Praxis gemeinsam nach Wegen, um das ehrgeizige Ziel zu erreichen.

Nicht überall ist es kompliziert: Mehr als die Hälfte der CO₂-Emissionen der Schweiz stammen aus dem Strassenverkehr und von Gebäudeheizungen. Hier ist klar: Es soll einen Umstieg geben auf Fahrzeuge ohne fossile Treibstoffe und es soll ohne Öl und Gas geheizt werden. Die technischen Möglichkeiten sind da und funktionieren.

Doch neben diesen, salopp gesagt, eher einfach vermeidbaren Treibhausgasen, gibt es die sogenannt «schwer vermeidbaren». Diese werden auch im Jahr 2050 noch ausgestossen, selbst wenn wir zahlreiche Klimaschutzmassnahmen umsetzen.

Vor allem Emissionen aus der Landwirtschaft, der Industrie und der Abfallverbrennung lassen sich kaum vollständig vermeiden. Während die Gebäude und der Verkehr auf null kommen sollen, verbleiben in den Sektoren Landwirtschaft, Industrie und Abfall rund zwei Drittel der heutigen Emissionen – etwa 12 Millionen Tonnen pro Jahr.

Und mit diesen Rest-Klimagasen müssen wir gemäss Gesetz irgendwie umgehen. So ist auch das «netto» zu verstehen beim Netto-Null-Ziel: Gibt es also noch ein Plus, braucht es irgendwo ein Minus. Wir müssen CO₂ aus dem Kreislauf herausholen, damit wir netto dann tatsächlich auf null kommen.

Aus der Luft einfangen mit NET

Hier kommen technische Lösungen ins Spiel, so die Idee heute. Sogenannte Negativ-Emissions-Technologien (NET) sollen CO₂ direkt aus der Luft fischen.

Welche Treibhausgase bleiben übrig?

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Knapp 12 Millionen Tonnen CO₂, respektive «CO₂-Äquivalente» werden wir in der Schweiz im Jahr 2050 weiterhin ausstossen, das ist etwas mehr ein Viertel des heutigen Ausstosses gemäss Treibhausgasinventar.

Aus der Abfall- und Sonderabfallverbrennung werden wir trotz Kreislaufwirtschaft noch immer CO₂ haben, weil es weiterhin Abfälle gibt, die wir verbrennen werden. Auch die Zementherstellung geht nicht ohne CO₂-Ausstoss, beim Brennen des Kalkes zu Klinker wird unweigerlich CO₂ frei. Die Landwirtschaft setzt Methan frei bei der Rindviehhaltung und der Hofdüngerbewirtschaftung. Lachgas entsteht bei der Bewirtschaftung der Felder, etwa durch den Abbau von Stickstoff im Boden.

In allen Sektoren gibt es noch ein gewisses Optimierungspotential, das aber aus heutiger Sicht nicht unter diese 12 Millionen Tonnen CO₂eq pro Jahr zu bringen ist.

Erste Versuchsanlagen zeigen, dass die Technik grundsätzlich funktioniert. Doch das sogenannte «Direct Air Capture» ist energieintensiv und kostspielig – so sehr, dass sich ein Einsatz im grossen Stil auf absehbare Zeit kaum lohnen dürfte.

Negative Emissionen kann man auch mit Hilfe von grünen Pflanzen erreichen. Sie fischen das CO₂ aus der Luft und wir entziehen es anschliessend dem Kreislauf. Doch auch diese Ideen sind noch nicht im grossen Massstab erprobt.

Im Kamin einfangen mit CCS

Einen Teil des schwer vermeidbaren CO₂ könnte man auch direkt dort abfangen, wo es entsteht. Also in den Kaminen der Kehricht- und Sondermüll-Verbrennungsanlagen und in den Zementwerken, wo CO₂ nicht zu vermeiden ist.

CCS heisst diese Technik, der Kohlenstoff wird eingefangen und anschliessend eingelagert. Auch diese Technik funktioniert grundsätzlich.

Was ist mit dem Fliegen?

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Internationale Flüge und Schifffahrten fallen nicht unter das Abkommen von Paris. Zuständig ist die ICAO, die internationale Zivilluftfahrtorganisation, eine Sonderorganisation der UNO und beim Schiffsverkehr die IMO, die internationale Seeschifffahrtsorganisation. Die ICAO hat bereits ein Netto-Null-Ziel bis 2050 formuliert, die IMO arbeitet noch daran. Die grosse Herausforderung wird sein, alternative Treibstoffe oder Antriebsformen zu haben, die tatsächlich auch nachhaltig sind und in genügend grosser Menge bereit stehen.

Die Schweiz hat sich in ihrem Klimaschutzgesetz bereits selbst verpflichtet, den internationalen Flugverkehr (konkret: Treibstoff der in der Schweiz getankt wird) bis im Jahr 2050 auf Netto-Null-CO₂ zu bringen. Diese Emissionen betragen heute gut 10 Prozent der gemäss Treibhausgasinventar ausgewiesenen Emissionen (siehe Grafik im Text weiter oben). Ob und wie das Netto-Null-Ziel bei Flugtreibstoffen erreichbar ist, ist heute noch nicht klar.

Für eine Umsetzung im grossen Stil wird heute über ein Pipeline Netzwerk nachgedacht, mit dem Länder wie die Schweiz ihr eingefangenes CO₂ exportieren könnten. Etwa nach Norwegen, wo es in alten Bohrlöchern eingelagert wird.

Auch diese Technologie ist aufwendig und teuer, wird aber Stand heute als fast schon unverzichtbar angesehen und entsprechend vorwärts getrieben.

Technologie oder auch Verzicht?

Mit «NET» und «CCS» wäre es theoretisch möglich auf Netto-Null zu kommen. Wer aber dafür bezahlen soll, ist unklar. Ein Konsortium aus Hochschul- und Praxispartnern unter Federführung der Empa startet jetzt ein sechsjähriges Projekt.

Mögliche Massnahmen im Detail

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Um die «schwer vermeidbaren» Emissionen weiter zu drücken, gibt es zahlreiche Ideen. Das könnte etwa in der Landwirtschaft ein präziser Düngeraustrag sein der weniger Lachgas zur Folge hat oder auch Futterzusätze, welche den Methanausstoss der Wiederkäuer verringern. Oder andere Konstruktionen bei Gebäuden, die weniger Zement benötigen, dank alternativer Baustoffe wie zum Beispiel Holz.

Auch ein möglicher Verzicht sind Themen, die angeschaut werden. Etwa, ob die Menschen bereit wären, ihren Fleischkonsum zu reduzieren – durchaus ein umstrittenes Thema. Das Konsortium verfolgt ausserdem insbesondere noch systemische Ansätze: Gross und vernetzt denken. So könnten zum Beispiel unterschiedliche Akteure zusammengebracht werden um ein CO₂-sparendes Projekt zu ermöglichen. Etwa ein Unternehmen, das an einem Ort viel Abwärme produziert, mit einer benachbarten Gemeinde, die ein Fernwärmenetz aufbauen möchte.

Ziel ist es, Lösungswege für die «schwer vermeidbaren» CO₂-Emissionen aufzuzeigen – sowohl durch technologische Ansätze als auch durch zahlreiche kleinere Massnahmen, die ebenfalls zur Senkung der Treibhausgase beitragen könnten.

Einen Masterplan für Netto-Null gibt es also noch nicht. Das Ausloten von vielen Möglichkeiten und Ideen soll aber eine Grundlage schaffen für spätere konkrete Pläne.

Zusatzinformation «CO₂-Äquivalente»

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Nicht nur CO₂ ist klimawirksam. Neben dem Kohlendioxid sind insbesondere zwei weitere Gase wichtig: Methan (CH₄) und Lachgas (N₂O). Diese stammen in der Schweiz aus Industrieprozessen und der Abfallwirtschaft, vor allem aber entstehen sie in der Landwirtschaft. Methan und Lachgas sind in der Atmosphäre deutlich stärker klimawirksam als CO₂. Aus diesem Grund hat man das CO₂-Äquivalent eingeführt (CO₂eq), damit man die Gase miteinander aufrechnen kann.

In der aktuell verwendeten Umrechnung wird das «Potential für Globale Erwärmung», das GWP auf 100 Jahre hinaus betrachtet. Lachgas, N₂O, ist dabei 265 Mal so wirksam wie CO₂. Methan, CH₄, ist 28 Mal so klimawirksam. Dies ist jeweils auf das Gewicht bezogen, als Beispiel wirkt eine Tonne Methan 28 Mal so stark wie eine Tonne CO₂. Da die unterschiedlichen Gase aber unterschiedlich lang in der Atmosphäre verweilen ist diese Berechnung nicht ganz einfach.

Radio SRF 1, 16.10.2025, 14:09 Uhr

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