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Mensch Altern im Zeitraffer

Wieso werden Organismen älter? Nutzen sich Mensch und Tier einfach ab? Oder gibt es einen Impuls, der das Wachstum einstellt – und der Körper lebt auf Sparflamme bis zum Tod? Ein kleiner Fisch soll helfen, diese grossen Fragen zu beantworten.

Killifische

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Legende: AfriGIS (Pty) Ltd, Google

«Eierlegende Zahnkarpfen» sind nicht nur bei Forschern beliebt, sondern auch im Aquarium. Die Warmwasser-Fische haben eine gedrungene Körperform und sind unter anderem im Osten und Süden Afrikas heimisch. Männchen werden bis zu 7 Zentimeter lang, sind farbenfroh gezeichnet und bullig gebaut. Weibchen sind meist nur halb so gross und unscheinbar.

Im Untergeschoss des Kölner Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns befindet sich das Reich von Dario Riccardo Valenzano: das grösste Killifisch-Labor der Welt. Killifische sind kleine Zahnkarpfen, die vor allem im südlichen Afrika heimisch sind – und Studienobjekte, die grosse Hoffnungen wecken. Rund 2000 Fische sollen dem italienischen Forscher und seinem Team helfen, die grundlegende Frage zu beantworten: Warum altern Organismen überhaupt?

Valenzano hat die Fische ausgewählt, weil sie sich gut für Laborzwecke züchten lassen – und weil es kurzlebige Wirbeltiere sind. Kaum ein Tier wird ein Jahr alt; innerhalb weniger Monate kann man das Leben vom Schlupf bis zum Tod verfolgen. Ausgewachsene Fische verlieren Gewicht, altern plötzlich und entwickeln spontan Tumore. Und im Gehirn alter Fische lassen sich ähnliche Proteinablagerungen wie beim Menschen nachweisen.

Einblicke in den Alterungsprozess

«Wir wollen herausfinden, ob es da eine Schwelle gibt, die – einmal überschritten – zu solchen krankhaften Veränderungen führt», sagt Valenzano. Der italienische Biologe zeigt auf die Züchtungstanks; darin leben jeweils ein Männchen mit zwei oder drei Weibchen. Am Boden steht eine Schale mit Sand. Dort legen die Weibchen ihre Eier ab. Die Männchen befruchten das Gelege anschließend und wedeln Sand darüber.

Die Killifisch-Eier sind sehr robust. In ihrer Heimat, im afrikanischen Simbabwe, trocknen die Flüsse regelmässig aus. Ausgewachsenen Fischen bleibt also nur eine kurze Zeit für die Fortpflanzung; zugleich können befruchtete Eier aber fünf Jahre Trockenheit schadlos überstehen. «Diese Umweltbedingungen», vermutet Valenzano, «könnten vielleicht der Grund für die Kurzlebigkeit der Fische sein».

Der Biologe Dario Valenzano hält einen Behälter mit einem Fisch und schaut das Tier an.
Legende: Fische als Helfer: Dario Valenzano mit einem seiner Studienobjekte im Labor. © Frank Vinken für MPG

Verlängern Umweltbedingungen das Leben?

Lässt sich das Leben der Zahnkarpfen vielleicht verlängern? «Teilweise ist das möglich», lauten die ersten Ergebnisse des Max-Planck-Forschers. Bestimmte äussere Einflüsse können den Alterungsprozess offenbar tatsächlich verlangsamen: weniger Nahrung beispielsweise oder niedrigere Wassertemperaturen. Auch die Darmflora spielt eine wichtige Rolle.

Valenzanos Fazit: Es könnte sein, dass bestimmte Umweltbedingungen das Altern verzögern. Dann würde dem Körper signalisiert, die Fortpflanzung hinauszuzögern und abzuwarten, bis die Umstände sich bessern und der Nachwuchs gute Überlebenschancen hat.

Gene sollen Antworten liefern

Das Thema im Radio

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Der Beitrag zu den Killifischen ist am Samstag, 26. September 2015 ab 12:40 Uhr im «Wissenschaftsmagazin» auf Radio SRF 2 Kultur zu hören.

Antworten soll vor allem die Genetik liefern. Die Forscher können mittlerweile gezielt bestimmte Gene abschalten, um ihre Funktionen zu verstehen. Denn vermutlich gibt es mehrere «Altersgene». Und die, so Valenzano, «testen wir auch, indem wir Gene von anderen Tieren, etwa von Quallen, in unsere Fische einschleusen». Antworten dazu stehen noch aus, auch wenn andere Forscherteams in aller Welt mit den Killifischen arbeiten.

Zudem verfolgt Valenzano die Überlegung, dass Altern vielleicht einfach bloss eine Anpassung im Laufe der Evolution sein könnte. Ob sich die Erkenntnisse, die bei den Fischen gewonnen wurden, irgendwann einmal sogar auf den Menschen übertagen lassen, ist offen. Sicher ist: Methoden, die das Leben deutlich verlängern könnten, sind noch nicht in Sicht.

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