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Auswirkungen des Klimawandels Manila: Arme Menschen müssen weg – aber wohin?

Drei Millionen Siedler an den Wasserläufen Manilas sind bedroht vom Klimawandel. Sie stehen zudem Bemühungen, dessen Folgen zu mildern, im Wege. Doch wohin mit ihnen?

Das Wichtigste in Kürze:

  • Siedlungen auf Stelzen verstopfen die Wasserläufe und verschärfen so Überflutungen.
  • In den letzten Jahren machte die Stadtverwaltung Manilas kurzen Prozess: Sie räumte Siedlungen zwangsweise.
  • Leni Robredo, Vizepräsidentin der Philippinen, meint, Umsiedeln funktioniere nicht und sei zu teuer.

Drei Millionen informelle Siedler leben in Metro-Manila, einem Moloch mit insgesamt elf Millionen Einwohnern: Weil es auf dem Land kaum Arbeit gibt, siedeln immer mehr Arme, ohne Erlaubnis, in der Stadt; an Steilhängen und Müllkippen. Im Sumpf der Esteros, der zahllosen kleinen Wasserläufe, die Manila durchziehen.

Ein Bild eines kleinen Jungen in Manila.
Legende: Viele Familien wissen nicht, wo sie leben sollen, werden ihre Siedlungen geräumt. SRF/ Thomas Kruchem

Auf halb verfaulten Holzpfählen reiht sich Hütte an Hütte aus Bambus und rostigen Wellblech. Auf schwankenden Bambuspfaden spielen Hunde und kleine Kinder – keine zwei Meter über in Schlick und Müll umherhuschenden Ratten.

Opfer von Anpassung

Informelle Siedler sind die ersten Opfer des Klimawandels, den die Philippinen besonders stark spüren – in Form von Taifunen, Starkregen und einem ansteigenden Meeresspiegel. Immer wieder kommt es zu Flutkatastrophen, immer wieder werden auf Stelzen stehende Siedlungen fortgespült, Kinder ertrinken.

Informelle Siedler sind zudem von behördlichen Massnahmen gegen die Fluten bedroht: Siedlungen auf Stelzen verstopfen die Wasserläufe und verschärfen so Überflutungen.

Alltag auf den Philippinen

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  • Auf den Philippinen gehört die Katastrophe zum Alltag. Jahr für Jahr wird das Land von Taifunen getroffen.
  • Hartes Regime auf den Philippinen: Drogenkrieg gegen die Armen.

Zwangsumsiedlungen aufs Land

In den letzten Jahren machte die Stadtverwaltung Manilas häufig kurzen Prozess: Sie räumte Siedlungen zwangsweise. Und weil neue Unterkünfte in Manila teuer sind, verfrachteten die Behörden Zehntausende Vertriebene in Regionen weit ausserhalb der Metropole – zum Beispiel in die Stadt Montalban 30 Kilometer östlich von Manila.

Auf den ersten Blick wirkt Montalbans Stadtteil Southville, wo die Regierung einige tausend Familien ansiedelte, wie eine Idylle. Die solide gebauten Häuschen entlang einer frisch geteerten Strasse sind in frischen Farben gestrichen. Vor Fassaden und unter Fenstern wachsen in Tontöpfen Kräuter, Gemüse und Blumen, jedes zweite Haus beherbergt einen kleinen Laden, in der Vorschule tummeln sich rot-weiss uniformierte Kleinkinder.

Keine Lösung

Das Problem sei, dass es in Montalban kaum Jobs gebe, sagt Carmelita Arlos, eine Mutter von drei Kindern: «Mein Mann arbeitet Nachtschicht in einem Hotel in der Stadt. Abends um sieben fährt er weg, gegen Mittag kommt er heim, schläft ein paar Stunden und fährt wieder zur Arbeit, sechs Tage die Woche.» Viele Männer, berichtet Carmelita, blieben schliesslich in der Stadt und gründeten dort neue FamilienLeni Robredo, seit 2016 Vizepräsidentin der Philippinen, hält wenig davon, Menschen, die seit Jahrzehnten in Manila leben, umzusiedeln in die Provinz. «Das funktioniert nicht und ist letztlich teurer als die Ansiedlung in der Stadt.»

Tatsächlich hat die Regierung ein Moratorium für Umsiedlungen aus Manila in die Provinz verhängt. «Wir müssen Wege finden, informelle Siedler legal in der Stadt unterzubringen», sagt Robredo. «Es gibt ja zahllose unbebaute Grundstücke in der Stadt.»

Wegweisender Wohnungsbau in der Stadt

Zu den noch wenigen Projekten, die die Regierung fördert, zählt eine Siedlung für 200 Familien am Estero San Miguel. An diesem stark verschmutzten Wasserlauf leben bis heute 170 Familien in Hütten auf Stelzen. Drei Meter entfernt vom Estero aber stehen seit kurzem fünf schmucke, dreistöckige Gebäude – und etliche weitere sind im Bau.

«Herzlich willkommen in unserer neuen Wohnung», sagt im zweiten Stock eines Neubaus Leo Obnamia, ein pensionierter Busfahrer. Leo ist sichtlich stolz auf sein neues, hell und freundlich wirkendes Zuhause: 25 Quadratmeter mit Platz sparendem Hochbett, Wasseranschluss, separater Toilette und grossen Fenstern.

Um ihre neue Wohnung zu finanzieren, bekommt jede Siedlerfamilie einen niedrig verzinsten Kredit von 9‘000 Euro – rückzahlbar über 30 Jahre. «Hier fühlen wir uns so viel besser als in unserer alten Hütte», freut sich auch Leos Frau Wilma. «Wir haben frische Luft, es stinkt nicht überall nach Müll und Fäkalien. Vor allem aber sind wir jetzt sicher vor Vertreibung, Taifunen und Fluten.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 22.2.2017, 9:00 Uhr.

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