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Mensch Beeinflussen Darmbakterien unser Gehirn?

Das kennt fast jeder: Stress kann ganz schön auf den Magen schlagen. Forscher untersuchen, ob es auch in die andere Richtung funktioniert – Mikroben im Darm könnten mitverantwortlich dafür sein, wie das Gehirn sich entwickelt, ob es gesund bleibt oder ob Krankheiten entstehen.

Immer mehr Forscher vermuten, dass es tatsächlich stimmt: Die Mikroben in unserem Darm, also die Bakterien, die unsere Nahrung verdauen, sollen mit entscheiden, was in unserem Gehirn geschieht, wie es sich entwickelt und ob es krank wird oder nicht. Mit Experimenten versuchen sie ihren Verdacht zu erhärten.

Versuche mit keimfreien Mäusen

John Cryan forscht an der Universität von Cork in Irland. Aus seinem Labor stammen viele Studien der letzten Jahre. Cryan arbeitet mit Mäusen, die er zum Beispiel über vier Wochen mit einem bestimmten Stamm von Lactobacillus ramnosis füttert. Dann lässt er die Tiere ein paar Stunden in einem Labyrinth herumlaufen, das sowohl geschützte, überdachte Gänge hat, als auch offene Flächen. Cryan: «Die Mäuse, die Bakterien bekommen hatten, waren mutiger und hielten sich öfter auf den offenen Flächen auf als Mäuse, die keine bekommen hatten.» Die Wirkung, sagt er, sei in etwa so stark gewesen, wie bei einer leichten psychiatrischen Medikation.

Cryan vermutet, dass durch die Mikroben im Darm auch die Entstehung ernster psychiatrischer Erkrankungen beeinflusst wird. Keimfrei aufgezogene Mäuse, solche also, die weder im Darm noch auf der Haut irgendwelche Bakterien haben, zeigten im Experiment unter anderem soziale Defizite: sie beschäftigten sich mit einem leblosen Spielzeug genauso gern wie mit einer anderen Maus. Vergleichbare Symptome zeigen auch menschliche Patienten mit Autismus oder Schizophrenie. Doch der Mensch ist natürlich nicht einfach so vergleichbar mit Mäusen. Den Vierbeinern fehlen gerade die Hirnregionen, die für komplexe Emotionen und soziale Bindungen wichtig sind.

Babys im Stresstest

Studien mit Menschen gibt es aber bisher nur wenige. Eine davon leitet Rebecca Knickmeyer. Sie will herausfinden, ob sie auch beim Menschen einen Zusammenhang zwischen den Bakterien im Darm und dem Verhalten finden kann.

Dafür untersucht sie, wie einjährige Kleinkinder reagieren, wenn sie in Stresssituationen gelangen. Beispielsweise, wenn eine fremde Person auf sie zukommt: «Manche Kinder reagieren panisch und schreien, manche spielen einfach weiter mit ihren Spielsachen.» In einer zweiten Untersuchungs-Situation lässt die Mutter ihr Kind für kurze Zeit alleine. «Wenn die Mutter zurückkommt, rennen manche Kinder auf sie zu und halten sie fest, andere sehen aus, als würden sie nur denken: Ach, da ist sie ja wieder,» schildert Knickmeyer.

Um herauszufinden wie Darm-Mikroben und menschliches Verhalten zusammenhängen, nimmt die Forscherin von jedem Kleinkind eine Stuhlprobe und untersucht das Genom der Bakterien im Stuhl und das Erbgut der Kleinkinder selbst. Sie vermutet, dass manche Kinder durch ihre genetische Ausstattung bestimmte Mikroben im Darm begünstigen. Diese Mikroben beeinflussen dann mit, wie sich das Verhalten der Kinder entwickelt. Im ungünstigen Fall tragen sie dazu bei, dass sich Krankheiten wie Autismus oder Schizophrenie entwickeln.

Chance für psychisch Kranke?

Rebecca Knickmeyer erhofft sich viel von diesem neuen Forschungsfeld. Warum, fragt sie, sollte man nicht auch Zusammenhänge für möglich halten, die auf den ersten Blick ziemlich verrückt scheinen. Dieser neue Ansatz scheint aus medizinischer Sicht eine Chance zu sein, betont Knickmeyer. Denn «lückenhaft» sei noch ein höflicher Ausdruck für das, was man bisher über psychiatrische Krankheitsbilder wisse.

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