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Mensch «Beschreiben nützt nichts, ansehen!»

Vor 100 Jahren fanden Forscher in Ägypten die faszinierende Büste, die Nofretete weltberühmt machte. Aus diesem Anlass läuft in Berlin zurzeit eine grosse Sonderausstellung. Und ein neues Buch zeigt die ägyptische Königin in neuem Licht – als Mitbegründerin der ersten monotheistischen Religion.

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Zeitlos schön: Pharaonengattin Nofretete in Berlin
aus DRS2aktuell vom 06.12.2012. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 3 Sekunden.

Die Schönheit der Nofretete ist legendär, seit deutsche Forscher die berühmte Kalksteinbüste fanden. Das war am 6. Dezember 1912 in den Ruinen von Tell-el-Amarna in Mittelägypten, wo sich einst die Residenzstadt von Pharao Echnaton und seiner Gattin Nofretete befand. Die Büste kam in den Ruinen eines Bildhauerateliers zum Vorschein. Dem damaligen Grabungsleiter Ludwig Borchardt verschlug ihr Anblick buchstäblich die Sprache: «Beschreiben nützt nichts, ansehen!», notierte er in sein Grabungsprotokoll.

Die Schöne aus dem Wüstensand

Die Schöne aus dem Wüstensand fasziniert seither Millionen von Menschen. Doch Nofretete war weit mehr als nur schön. Das zeigt der Nofretete-Spezialist Hermann A. Schlögl in einem neuen Buch, das er pünktlich zum hundertjährigen Jubiläum des Büstenfunds herausgebracht hat. Das Buch verspricht nichts weniger als «Die Wahrheit über die schöne Königin». Wahr sei: «Nofretete war eine mächtige Frau, und sie zeigte das auch», sagt der heute 80jährige emeritierte Ägyptologieprofessor der Universität Fribourg.

Nofretete tötet ihre Feinde und trampelt sie als Sphinx nieder.
Legende: Nofretete tötet ihre Feinde und trampelt sie als Sphinx nieder. C. Tietze

Nofretete lebte im 14. Jahrhundert vor Christus in der sogenannten Amarna-Zeit, die unseren modernen Ansichten und Empfindungen besonders nahe kommt. Ihr Gatte, Amenophis IV, der sich später Echnaton nannte, war ein aussergewöhnlicher Pharao. Kein anderer liess sich so unidealisiert, ja verzerrt darstellen, wie er es tat. Er revolutionierte die Kunst, gründete die neue Hauptstadt Achet-Aton (Amarna). Er schuf aus der alten Vielgötter-Religion den ersten fassbaren Monotheismus der Menschheitsgeschichte, mit dem Gott Aton im Zentrum, einer Weiterentwicklung des alten Sonnengottes Re.

Mitbegründerin der neuen Aton-Religion

Nofretete und Echnaton
Legende: Vertauschte Rollen: Nofretete sitzt auf dem Thron, ihr Gatte, der Pharao, auf dem Schemel. Regine Buxtorf

Vor allem für die radikale Neuerung in der Religion ist Echnaton heute bekannt. Doch die treibende Kraft hinter jener Kulturrevolution sei nicht nur Echnaton gewesen, betont Hermann Schlögl, sondern genauso Nofretete. Ein Altarbild zeigt sie mit ihrem Gemahl sogar in umgekehrten Rollen: Echnaton sitzt auf einem Schemel, Nofrete auf dem Thron. Hermann Schlögl ist überzeugt: Nofretete war eine der mächtigsten Frauen im alten Ägypten. Noch mächtiger war zu jener Zeit nur Königin Hatschepsut, die im 15. Jahrhundert vor Christus Ägypten regiert hatte.

Wem gehört die Büste?

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Die Nofretete-Büste stammt aus Ägypten, steht aber in Berlin. Denn im Fundjahr 1912 überliess Ägypten bei der damals üblichen Fundteilung den Teil mit der Nofretete-Büste Deutschland. Historisch gesehen stehe die Büste daher zu recht in Berlin, findet der Ägyptologe und Rektor der Universität Basel, Antonio Loprieno.

Marc Gabolde von der Universität Montpellier hingegen, ebenfalls ein Spezialist der Amarna-Zeit, hält die Interpretation von Nofretete als einflussreiche Mitregentin von Echnaton für übertrieben. Darstellungen wie jene mit Nofretete auf dem Thron und Echnaton auf dem Schemel seien selten. Selbst in den religiösen Darstellungen sei Nofretete nicht eigenständig dargestellt, sondern in ihrer Rolle als Gemahlin des Pharao, wenn nicht in den Bildern, dann in den Inschriften.

Wo sich die Wahrheit verbirgt

Die unterschiedlichen Positionen zeigen: Die Wahrheit über alte ägyptische Königinnen ist nicht ganz einfach herauszufinden. Antonio Loprieno, Rektor der Universität Basel und Ägyptologe, erklärt warum: «Die ägyptischen Quellen sind stark auf die Erkennbarkeit von bestimmten Mustern ausgerichtet. Es ist daher extrem schwierig, den Beitrag von individuellen Persönlichkeiten zu erkennen».

Eine weitere Schwierigkeit: Nach Echnatons Regierungszeit galt er bald als Ketzer. Seine Nachfolger wandten sich von seiner Glaubenslehre ab und löschten die Namen von Echnaton und seiner Familie aus den Königslisten. So war auch Nofretete schon bald nach der Amarna-Zeit vergessen. Erst die berühmte Büste hat die ägyptische Königin im öffentlichen Bewusstein wieder omnipräsent gemacht.

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