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Eine Hand mit zwei Fingerlingen.
Legende: Bodypacks – gefüllt mit Kokain: für Grenzwächter kein Seltenheit. Imago / Reinhard Kurzendörfer

Bodypacking Das gefährliche Geschäft mit Kokain im Bauch

Drogenkuriere verstecken ihre illegale Ware oft im eigenen Körper – etwa im Darm. Das sogenannte Bodypacking ist beliebt, aber auch gefährlich. Auf der Notfallstation werden die Kriminellen zu Patienten.

Der Drogenschmuggel im Durchgangsland Schweiz floriert. Das spüren auch die Spitäler: Ins Notfallzentrum des Universitätsspitals Basel etwa werden massiv mehr potentielle Bodypacker eingeliefert.

«Vor zehn Jahren konnten wir die Fälle an einer Hand abzählen», sagt Roland Bingisser, Chefarzt des Notfallzentrums, «heute untersuchen wir wöchentlich zwei, drei Verdächtige.»

Um den übrigen Notfallbetrieb nicht zu stören, habe man an der Pforte einen separaten Eingang und im Innern einen speziellen Untersuchungsraum eingerichtet, so Bingisser.

Üben mit Trauben und Rüebli

Die meisten Bodypacker in Basel sind Westafrikaner, die über Spanien am Flughafen anreisen. «In der Regel sind es Männer aus armen Verhältnissen, die sich als lebende Transportvehikel verpflichten lassen – mit dem Versprechen auf ein bisschen Gewinn», sagt Bingisser.

Ein Grenzwächter reinigt Fingerlinge mit Wasser.
Legende: Ein Grenzwaechter reinigt Fingerlinge, die im Magen eines Bodypackers transportiert wurden. KEYSTONE/Grenzwachtkommando VI Genf

Die 20 Gramm schweren Päckchen, welche die Kuriere schlucken müssen, sehen aus wie dicke Tampons. Um ihre Darmbelastung zu stärken, trainieren sie mit Lebensmitteln: erst mit unzerkauten Weintrauben, dann mit Pflaumen oder Rüeblistücken. Zur Entschleunigung des Darms nehmen sie Medikamente, damit sie die teure Fracht auf der Reise nicht verlieren.

«Die meisten Bodypacker reisen unauffällig», sagt Mediziner Bingisser. Trotzdem ist die Trefferquote am Zoll hoch. «Mehr als ein Viertel der Personen, welche die Grenzwächter herausfischen, haben tatsächlich etwas geschluckt.» Er selber könne nie voraussagen, wer Kokain im Darm habe.

CT für den Beweis

Die Bestätigung bringt erst ein CT, ein Computertomogramm, ans Licht. Das CT ist wie ein Eierschneider, welcher den Körper in hauchdünne Scheiben schneidet, die der Radiologe am Computer zu einer 3D-Aufnahme zusammensetzt. «So können wir die einzelnen Päckchen sogar zählen», erzählt Bingisser. Manchmal hätten Bodypacker bis hundert solcher Pakete im Darm versteckt.

Der Verdächtige kann diese Untersuchung aber verweigern, denn beim CT werden Röntgenstrahlen eingesetzt. «Wenn ein Patient sich weigert, dann respektieren wir das und verzichten auf das CT – ausser, wenn jemand Anzeichen einer Vergiftung hat», sagt Bingisser. In diesem Fall setzt sich der Mediziner über das Zollgesetz hinweg. Denn hochreines Kokain, das in dieser Dosis im Darm freigesetzt wird, ist tödlich.

Ein Grenzwächter schaut sich ein Röntgenbild an. Das Röntgenbild zeigt sehr viele Bodypacks.
Legende: 123 Bodypacks in einem Körper: Das Röntgenbild zeigt, wie viel Drogen der Bodypacker in sich trug. Keystone / Salvatore Di Nolfi

Worst case: das geplatzte Päckchen

Am Lausanner Universitätsspital CHUV hat die Ärztin Liv Maier eine Langzeitstudie über Bodypacking durchgeführt, die bislang einzige in der Schweiz. Zwölf Jahre lang hat Maier die Fälle am CHUV dokumentiert, 132 Fälle insgesamt.

Die Ärztin bestätigt: Das grösste Risiko, das ein Bodypacker eingeht, ist eine Vergiftung. «Wenn ein Päckchen im Darm aufplatzt, muss der Patient sofort operiert werden, jede Minute zählt», sagt Liv Maier. Allerdings lässt sich von aussen eine Kokainvergiftung nicht eindeutig feststellen. Die Symptome – hoher Puls und Blutdruck, Schweissausbrüche, kalte Hände – können auch vom Stress der Festnahme herrühren. Um Gewissheit zu erlangen, braucht es das CT.

Pakete sind dicht

Früher kam es auf Notaufnahmen oft vor, dass einem Bodypacker ein Kokainpaket im Darm geplatzt war. Auch Roland Bingisser hat das erlebt: «Wir mussten Notoperationen durchführen, ganz schwierige Sachen», erzählt er.

Heute allerdings kommen solche Vergiftungsfälle kaum noch vor. Auch Liv Maiers Langzeitstudie vom CHUV bestätigt dies. Binggisser vermutet, dass Bodypacking professioneller geworden sei: «Die Pakete sind heute dicht.»

Wenn früher ein Bodypacker fünfzig Pakete auf sich trug, stuften die Mediziner die Gefahr eines Lecks so hoch ein, dass sie den Verdächtigen stationär aufnahmen. «Heute», sagt Bingisser, «wird jemand selbst mit der doppelten Fracht im Darm von der Notaufnahme entlassen.»

Von dort werden die Bodypacker ins Untersuchungsgefängnis eingeliefert, wo sie die folgenden Tage auf der Toilette verbringen. Bis jedes Paket ausgeschieden ist.

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