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Cannabisregulierung und ihre Folgen
Aus Rendez-vous vom 04.04.2024. Bild: IMAGO
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Cannabis-Debatte Kiffen erlaubt: Kommt das wirklich gut?

Deutschland hat das Kiffen legalisiert. Auch in der Schweiz sollen Handel und Konsum von Cannabis neu geregelt werden. Der Zürcher Pharmakopsychologe und Drogen-Experte Boris Quednow findet das gut – mit klaren Einschränkungen.

«Für mich ist tatsächlich nur der hochregelmässige Konsum von Cannabis problematisch», sagt Boris Quednow.

Der Pharmakopsychologe der Universität Zürich forscht seit 20 Jahren, wie das Gehirn chemisch funktioniert. Dabei interessiert ihn besonders, «wie Substanzen das Gehirn verändern können, wenn man sie chronisch einnimmt – und wie dieser Konsum das Denkvermögen, die Gefühle oder das Verhalten beeinflusst.»

Boris Quednow

Boris Quednow

Pharmakopsychologe

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Boris Quednow ist Professor für Pharmakopsychologie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.

Seine Dissertation schrieb er 2009 an der Universität Bochum zu den neurobiologischen Folgen des Ecstasy-Konsums (MDMA).

Auch zu Cannabis haben Quednow und sein Team umfassend geforscht: «Cannabis ist eine Substanz mit einem tiefen Schadenspotenzial, wenn man es mit anderen Rauschsubstanzen vergleicht – doch das bezieht sich nur auf den Erwachsenenkonsum.»

Bei Jugendlichen und Erwachsenen wirke Cannabis unterschiedlich, betont Quednow: «In jungen Jahren kann Cannabis das Gehirn schädigen – dauerhaft.»

Folgeerscheinungen im späteren Leben

Der Forscher stellt klar: Cannabis «mal» zu probieren oder gelegentlich zu konsumieren, habe auch bei jungen Menschen kaum Folgen. Anders sehe es aus, wenn die Substanz täglich oder mehrfach täglich und in hohen Dosen eingenommen werde: Ein regelmässiger Konsum, vor allem während der Pubertät, könne dazu führen, «dass die Reifung des Gehirns verzögert oder verändert wird. Das kann wiederum dazu führen, dass im späteren Leben Folgeerscheinungen auftreten.»

Kiffen ist in der Gesellschaft fest verankert. Es gibt in der Schweiz schon längst eine Form der sozialen Normalisierung des Konsums.
Autor: Boris Quednow

Folgeerscheinungen wie zum Beispiel ein grösseres Risiko, die Schule oder Berufsausbildung abzubrechen und arbeitslos zu werden; dass man grundsätzlich unzufrieden wird im Leben – oder gar auf die schiefe Bahn gerät. Solche Zusammenhänge haben internationale Studien in den letzten Jahren immer wieder gezeigt.

Die Forschungsgruppe von Boris Quednow ist ebenfalls auf solche Befunde gekommen. Befunde, die auch von den Gegnerinnen und Gegnern einer Cannabis-Legalisierung ins Feld geführt werden. 

Trotz alledem ist Boris Quednow klar dafür, Cannabis neu zu regulieren. Kiffen sei hierzulande in der Gesellschaft fest verankert: «Es gibt in der Schweiz schon längst eine Form der sozialen Normalisierung des Konsums», sagt er.

Neue Cannabis-Regulierung in der Schweiz angestrebt

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Seit 2021 laufen in allen grösseren Schweizer Städten Pilotversuche mit Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken. Dabei sollen u.a. unterschiedliche Vertriebssysteme miteinander verglichen werden: die kontrollierte Abgabe von Cannabis in Apotheken, in Klubs oder in nicht-gewinnorientierten Läden.

Auf Bundesebene ist die parlamentarische Initiative Siegenthaler hängig. Diese verlangt eine «Regulierung des Cannabismarktes für einen besseren Jugend- und Konsumentenschutz.» Ein Gesetzesentwurf soll dem Parlament in der Herbstsession 2025 vorgelegt werden.

Diesen Konsum zu entkriminalisieren sei überfällig. «Wir haben gelernt, dass das prohibitive Modell nicht funktioniert. Es hält die Menschen nicht vom Konsum ab.» Zudem führe es dazu, Hilfsangebote und Prävention eher zu behindern als zu fördern.

Die Eckpfeiler eines guten Modells

Die Legalisierung in Deutschland findet Quednow grundsätzlich gut, vor allem deshalb, weil das Modell nicht kommerziell, sondern «sozial» organisiert sei. Einen Verkauf in Coffeeshops wie zum Beispiel in Holland wird es in Deutschland nicht geben.

Andere Legalisierungsmodelle kennt man vor allem aus Kanada und den USA. Dort ist Kiffen in vielen Bundesstaaten erlaubt, und die Erfahrungen zeigen: Je stärker der Staat sich engagiert und kontrollierend eingreift, desto weniger Probleme entstehen für die öffentliche Gesundheit.

Für Boris Quednow ist klar, was die Eckpfeiler eines guten Modells sind:

Fünf Eckpfeiler

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  • Staatliches Abgabemonopol
  • Werbeverbot
  • Verbot von Packungsdesign oder anderen Anreizen, die den Konsum anheizen würden
  • Eine gewisse Begrenzung des Besitzes
  • Und vor allem: ein guter Jugendschutz. Oder anders formuliert: «dass man den jugendlichen Konsum gut kontrolliert.»

    Auf lange Sicht, so Boris Quednow, müsse die Gesellschaft neue Normen entwickeln, um mit Cannabis umzugehen, ähnlich wie bei Tabak. Und das funktioniere erst einmal nur über die Legalisierung.

Rendez-vous, 04.04.2024, 12:30 Uhr

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