- Unser Körper produziert Cannabis-ähnliche Moleküle, die Endocannabinoide.
- Sie beeinflussen unter anderem Stress, Schmerz, Angst und Entzündungen.
- Forscher wollen ihre Funktion und Wirkung besser verstehen. Sie erhoffen sich davon neue Ansatzpunkte für Medikamente.
THC kennen alle. Der Cannabis-Wirkstoff mit dem komplizierten Namen «Tetrahydrocannabinol» gehört zu einer Gruppe von Pflanzenmolekülen, den sogenannten Cannabinoiden.
Als Wissenschaftler dieses THC vor 25 Jahren untersuchten, fanden sie heraus, dass es im Körper an bestimmte Rezeptoren andockt. Daraus schlossen sie: Wenn wir solche Cannabinoid-Rezeptoren haben, stellt wohl auch der Körper selbst Moleküle her, die daran ankoppeln.
Tatsächlich fand man körpereigene Cannabinoide – und nannte sie Endocannabinoide, mit der griechischen Vorsilbe «endo» für «innen». Zusammen mit ihren Rezeptoren bilden sie das Endocannabinoid-System.
Dämpfende Funktion
Jürg Gertsch, Professor für Biochemie und molekulare Medizin an der Universität Bern, erklärt: «Das Endocannabinoid-System ist ein Anti-Stress-System.» Es spiele eine Rolle bei Schmerzen, Angst, Appetit, Gedächtnis, aber auch bei Entzündungen.
Cannabinoid-Rezeptoren findet man vor allem im Gehirn und im Immunsystem. Und dort wirkt das Anti-Stress-System meist als Bremse: «Es verhindert, dass erregende Signale zu stark werden», sagt Gertsch.
Cannabis ahmt körpereigene Substanzen nach
Solche Prozesse setzen nicht nur im Körper hergestellte Moleküle in Gang, sondern auch Wirkstoffe der Cannabis-Pflanze. «Ob es körpereigen ist oder körperfremd», so Gertsch, «die Wirkung läuft über ähnliche Mechanismen ab.»
Dockt an einem Cannabinoid-Rezeptor eine Substanz an, die wie ein Schlüssel ins Schloss passt, löst das eine Reihe von biochemischen Vorgängen aus.
Neben den im Körper produzierten Schlüsseln passen auch Pflanzenstoffe wie THC in die Rezeptor-Schlösser. Und so erstaunt es nicht, dass Cannabis auch zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt wird.
Cannabis bleibt länger aktiv
Ganz identisch verhalten sich die verschiedenen Moleküle dennoch nicht. Ein Beispiel: «Im Gegensatz zu Cannabinoiden aus dem Hanf werden Endocannabinoide im Gewebe sofort wieder abgebaut», so Biochemiker Gertsch. Cannabis-Substanzen wirken also länger.
Es gibt Hinweise, dass die Effekte von Cannabinoiden im Alter anders sein können.
Ansatzpunkt für Medikamenten
Man stellte auch fest, dass Cannabis je nach Alter der Konsumenten anders wirkt: Bei älteren Menschen treten weniger Nebenwirkungen auf als bei jüngeren.
Als Grund dafür vermuten Forscher, dass sich das Endocannabinoid-System mit der Zeit verändert: «Es gibt Hinweise, dass es im Alter weniger gut funktioniert und die Effekte von Cannabinoiden somit anders sein können», sagt Gertsch, der seit über zehn Jahren in diesem Bereich forscht.
Er sieht hier deshalb grosses Potenzial für Medikamente, die speziell für ältere Patienten entwickelt werden.