Sie sind so schön, so verführerisch. Und für Biologen ein totales Rätsel. Wenn Küsse biologisch betrachtet etwas bewirken, dann eher nichts Gutes: Sie sorgen dafür, dass wir Krankheitserreger ziemlich effektiv weitergeben. Soviel ist sicher.
Alle anderen Wirkungen, die dem Küssen zugeschrieben werden, sind eher «soft science». Ob Oxytocin-Ausschüttung, Bindungsstärkung oder Blutdrucksenkung – vieles bleibt Vermutung.
Umso verwirrender: Nicht nur wir Menschen küssen. Auch Bonobos tun es. Und Gorillas, Schimpansen, sogar Orang-Utans. Für Biologen heisst das: Wenn ein Verhalten so weit verbreitet ist, muss es evolutionär Sinn ergeben – also messbare Vorteile fürs Überleben bieten. Welche das sind, bleibt vorerst im Dunkeln.
Die Spur führt 20 Millionen Jahre zurück
Evolutionsbiologen der Universität Oxford wollten aber zumindest eines wissen: Wann tauchte das Küssen zum ersten Mal auf? Dafür trugen sie akribisch Daten zusammen – vom Kussverhalten unserer nächsten Verwandten bis hin zu den evolutionären Stammbäumen.
Zuerst definierten sie, was überhaupt als «Kuss» gilt: Mund-zu-Mund-Berührung ja, aber ohne Futteraustausch. Und keine Aggression bitte. Dann kombinierten sie diese Verhaltensdaten mit genetischen und fossilen Informationen über die gemeinsamen Vorfahren von Affen und Menschen.
Das war aufwendig: Die Forscher mussten rekonstruieren, wie sich soziale Interaktionen über Millionen Jahre entwickelt haben, und berechnen, wann ein Verhalten wie Küssen plausibel erstmals auftrat.
Das Ergebnis überrascht: Der erste Kuss liegt rund 20 Millionen Jahre zurück – also 19.8 Millionen Jahre bevor wir, der Mensch, zum ersten Mal auf der Erde auftauchten. Fazit: Wir mögen das Küssen lieben, aber erfunden haben wir es nicht.