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Die Folgen der Billigmode So wirkt sich Fast Fashion auf unsere Psyche aus

Dass Fast Fashion zur Umweltzerstörung beiträgt, ist vielen bewusst. Doch die billigen Stoffe tangieren auch die Psyche.

400 Prozent mehr Kleider als vor 20 Jahren kaufen wir als Gesellschaft mittlerweile. Und das, obwohl die Auswirkungen von Fast Fashion den allermeisten klar sein dürften: Unsere Umwelt leidet massiv.

Fast-Fashion-Fakten

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  • Die Modeindustrie ist mittlerweile für bis zu zehn Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich.
  • 150 Milliarden Kleidungsstücke werden jährlich produziert, doch allein in Amerika werden jedes Jahr etwa 14 Millionen Tonnen Kleidungsstücke weggeworfen. Das sind über 36 kg pro Person, in der Schweiz sind es durchschnittlich 6,3 kg.
  • Es braucht 2720 Liter Wasser, um ein T-Shirt herzustellen. So viel, wie wir normalerweise über einen Zeitraum von drei Jahren trinken.
  • Rund 60 Prozent aller Kleider enthalten Kunststofffasern, 35 Prozent des Mikroplastiks in den Meeren stammt von Textilien.

Quellen: Greenpeace & Fashion Revolution.

Doch es gibt weitere Folgen, die bislang nicht so bekannt sind – die für unsere Psyche.

Viele wissenschaftliche Untersuchungen dazu gibt es zwar noch nicht, dafür aber Expertinnen und Experten, die sich für mehr Forschung starkmachen. Eine davon ist Dawn Karen, Modepsychologie-Professorin am Fashion Institute of Technology in New York. Hier erklärt sie einige Mechanismen von Fast Fashion.

1. Darum kaufen wir's, obwohl wir die Konsequenzen kennen

Dass wir Zara, H&M und Co. vertrauen, hat unter anderem mit sogenannten Heuristiken zu tun. Kurz gefasst sind das unbewusste, kognitive Strategien, dank denen wir Entscheidungen treffen können, ohne lange abwägen zu müssen.

Wenn wir einen Fast-Fashion-Shop betreten, weiss unser Unterbewusstsein schon: Der Laden ist immer ähnlich aufgebaut, wir haben dort früher gute Teile gefunden. Die Kleidungsstücke sind zwar trendy, aber immer als Brand erkennbar. Wir wissen, was wir kriegen. Wir haben Vertrauen – und sind rasch bereit, zu investieren.

Psychologische Heuristiken kurz erklärt

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Heuristiken sind mentale Abkürzungen, die uns helfen, mit begrenztem Wissen und begrenzter Zeit Entscheidungen zu treffen und Urteile zu fällen.

Der Vorteil: Wir kommen ressourcensparend zu Schlussfolgerungen. Der Nachteil: Es besteht die Gefahr, dass wir voreilige oder verzerrte Schlüsse ziehen.

Hier sind zwei Beispiele, die uns den Alltag immer wieder einfacher machen.

Repräsentativitätsheuristik: Wenn wir neue Menschen kennenlernen, suchen wir anhand der ersten Beobachtungen ein Stereotyp aus früheren Erfahrungen, zu dem die neue Person zu passen scheint. Man schliesst dann oft fälschlich, dass auch andere Eigenschaften des Stereotyps auf diesen Menschen zutreffen.

Verfügbarkeitsheuristik: Kommt zum Einsatz, wenn die Häufigkeit oder Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses beurteilt werden soll – ohne genaue Daten zu haben. Unser Gehirn trifft dann eine Schätzung auf Grundlage dessen, wie leicht man sich an entsprechende Beispiele dieses Ereignisses oder dieser Kategorie erinnern kann. Wichtig: Vor allem die Häufigkeit von Ereignissen wird falsch eingeschätzt, weil wir uns Ausnahmen besser merken können. Die meisten Menschen überschätzen etwa die Wahrscheinlichkeit eines Flugzeugabsturzes, weil sie in den Medien überproportional viele Infos finden.

2. Darum kaufen wir mehr, als wir wollen

Marken erhalten die Vertrauenswürdigkeit auch, indem sie beim Shoppen direkt diverse Sinne und positive Emotionen triggern. «Gerüche haben den kürzesten Weg von den Rezeptoren in unserer Nase zu dem Teil des Gehirns, der für ihre Verarbeitung von Emotionen zuständig ist. Untersuchungen zeigen, dass Düfte wie Zimt oder Vanille, dafür sorgen, dass ich mich einer Marke verbundener fühle, weil sie Vertraulichkeit und Wärme suggeriert», so Modepsychologin Karen.

«Natürlich spielt auch das Merchandising im Shop eine Rolle: Wenn man verschiedene Produkte nebeneinander ausstellt, bedeutet das, dass sie zusammengehören, sodass man vielleicht das ganze Set kauft und nicht nur einen Artikel.».

3. Darum ist die Reizüberflutung beabsichtigt

Vielleicht ist es Ihnen beim Shoppen in Zara & Co. auch schon aufgefallen: Der Bass dröhnt, die Deko glitzert. Diese vielen sensorischen Elemente in den Läden kitzeln unsere Neugierde: «Unser Gehirn schenkt nämlich vor allem den Dingen Aufmerksamkeit, die auffällig und neu sind», erklärt die Expertin. Neu bedeutet in Hirnsprache «anders», sprich: Wir wollen es erkunden, weil die Reize (wohldosiert) uns in Kauflaune versetzen.

Ob wir darauf anspringen, hängt aber davon ab, wie sensibel wir auf Düfte oder Lautstärke reagieren. «Manche drehen auf der Schuhsohle um, wenn die Vanillearomen zu stark sind», so die Expertin.

4. Und darum wollen wir trotzdem immer noch mehr

«Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass sich beim Schnäppchenkauf, sowohl im Laden als auch Online, unsere Neurotransmitteraktivität verändert.»

Das Belohnungszentrum im Gehirn wird aktiviert und Dopamin ausgeschüttet. Dopamin ist ein Wohlfühl-Neurotransmitter - doch er wird auch mit der Entwicklung von Suchtverhalten in Verbindung gebracht wird. Samt Drogenrausch und Koffein.

Der «Shopping-Kater» kommt dann, wenn man die gekauften Dinge nicht benutzt. «Die erste tolle Jacke macht einen noch glücklich. Wer aber Dinge kauft, er oder sie gar nicht braucht und die direkt irgendwo im hintersten Eck des Schranks landen, fällt der Dopaminspiegel schnell wieder ab. Die Spirale beginnt von vorne», so die Expertin.

Video
Fast Fashion schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch unserer Psyche
Aus Einstein² vom 13.12.2022.
abspielen. Laufzeit 11 Minuten 40 Sekunden.

Einstein^2, SRF1, 13.12.2022.

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