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Geschmack und Gehirn Warum es bei Mama am besten schmeckt

Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Sagt man. Stimmt nicht. Er ist hauptsächlich anerzogen und höchst individuell.

Geschmack entsteht im Lauf unseres Lebens: Wie wir ihn wahrnehmen, ist nur teilweise genetisch bedingt. Gerade Vorlieben sind weitgehend erlernt.

Das beginnt bereits im Mutterleib: «Was die Mutter isst, hat Einfluss auf den Geschmack des Fruchtwassers, welches das Baby trinkt», erklärt Ernährungsforscherin Christine Brombach von der ZHAW in Wädenswil.

Mit der Muttermilch aufgesaugt

Der Fötus wird so auf die Umwelt vorbereitet, in die er hineingeboren wird. Auch die Muttermilch prägt das Kind. «Sie schmeckt jeden Tag anders, im Gegensatz zu Säuglingsanfangsnahrung», erklärt die Forscherin.

Sie verweist damit auf ein Phänomen, welches eine ganze Generation geprägt hat: Bis in die 1970er-Jahre wurde Babynahrung häufig mit Vanille versetzt. «Ganze Generationen sind so mit dem Vanille-Geschmack geprägt worden. Wir mögen es, weil es bei uns als frühkindliche Erfahrung gespeichert ist und mit Mutterwärme und Geborgenheit einher geht.» Heute sind Vanille-Zusätze verboten. Es muss so natürlich wie möglich sein.

Pfui, das schmeckt nicht, mag ich nicht: Neophobie

Auch dass Kinder eine Phase durchlaufen, in der sie am liebsten nur Spaghetti ohne Sauce essen, lässt sich evolutiv erklären. Zwischen zwei und sechs Jahren wird das Kind unabhängiger.

Es wird deshalb vorsichtig: «Es weiss ja nicht, was ihm bekommt. Spaghetti sind nahrhaft, einfach zu essen, weil relativ geschmacksneutral, und man kann damit spielen», sagt die Ernährungsprofessorin. Neophobie, also Furcht vor Neuem, heisst der Fachausdruck für dieses Phänomen.

Verdorbene Speisen – immerwährender Alptraum

Studien haben gezeigt, dass ein Kind ein abgelehntes Lebensmittel zwischen 8 und 16 Mal probieren muss, bis es dieses akzeptiert. «Aber nur probieren», betont Christine Brombach. Zwang sei der falsche Weg. Denn traumatische Erlebnisse im Zusammenhang mit bestimmten Speisen haben einschneidende Folgen.

«Wird mir schlecht von einer Speise, prägt sich das fast unauslöschbar ins Gedächtnis ein.» Erregt etwa nach einem Absturz mit Pastis selbst das Traditions-Guetzli «Änis-Chräbeli» während Jahrzehnten sofortige Übelkeit, so lässt sich das mit unseren Gehirnfunktionen erklären.

Wie Geschmack gespeichert wird

Geschmackserinnerungen werden im limbischen System gespeichert. Das ist derselbe Ort im Gehirn, der auch für unsere Emotionen zuständig ist. «Isst man etwas, so wird das immer zusammen mit dem Ambiente, dem Kontext, und dem dazugehörigen Gefühl gespeichert. Es entsteht ein Erregungsmuster, das beim erneuten Essen immer wieder als Ganzes auftaucht.»

Was einem bekommt, lernt man. Und was wir mögen, lernen wir in Verbindung mit der Kultur und der Zeit, in die wir hineingeboren sind. «Je intensiver eine Erinnerung, desto stärker ist die Verknüpfung.»

Mamas Guetzli sind die besten

Gerade Festtage, die emotional und mit einer Kaskade von Erinnerungen einhergehen, prägen sich daher speziell ein. Auch weil an diesen Tagen die besonderen Gewürze und Speisen auf den Plan kommen.

Mutters Spitzbuben werden deshalb kaum zu toppen sein, selbst wenn es sich dabei nicht um hohe Backkunst handeln sollte.

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