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Innovative Forschung Wie Schweizer Forschende unsere Zukunft besser machen wollen

Grüner Wasserstoff, Organe aus dem 3D-Drucker, nachhaltige Kunststoffe: Forscherinnen und Forscher in der Schweiz kämpfen mit guten Ideen gegen die Probleme unserer Zeit.

Unser Leben fühlt sich manchmal an wie im Krisenmodus: Klimaerwärmung, Müllproblem, Energiekrise. Alles drängende Themen, die viele mit Ohnmachtsgefühlen zurücklassen. Und mit einer grossen Frage: Wie schaffen wir es in Zukunft, gut auf unserem Planeten leben zu können?

In ihren Laboren tüfteln auch Schweizer Forschende mit Hochdruck an Lösungen.

Wir haben vier von ihnen getroffen und sie nach ihrer Vision gefragt.

Grünes Gas gegen die Energiekrise

Sophia Haussener von der EPFL forscht in Lausanne an einem Ausweg aus der Energiekrise. Sie sieht die Lösung in grünem Wasserstoff, mit dem wir – da ist sie überzeugt – bald C02-neutral heizen, kochen und Auto fahren können.

Zur Herstellung von Wasserstoff nutzt die Professorin für nachhaltige Energiesysteme Sonnenenergie. Ein sieben Meter grosser Parabolspiegel konzentriert das eingefangene Sonnenlicht auf einen Reaktor. Dieser spaltet die Wasserstoffmoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff.

Noch hinkt die Infrastruktur der Forschung hinterher. Auch wenn man das bestehende Gasnetz nutzen könnte, kann man Stand heute erst vier Prozent Wasserstoff in die Leitungen einspeisen, damit sie nicht spröd werden. Und der Wasserstoff, den die Industrie heute verwendet, ist ein fossiler Stoff – produziert aus Erdgas und per LKW in die Schweiz transportiert.

«Wir haben nicht mehr so viel Zeit», drängt die Forscherin zum Wandel. Der Energiebedarf sei enorm: «Es braucht auch in der Schweiz riesige Anlagen.» Zum Beispiel Solar-Wasserstoff-Fabriken.

Leben retten mit Organen aus dem 3D-Drucker

Mut machen auch technische Errungenschaften wie der 3D-Drucker, der vor 35 Jahren auf den Markt kam. Heute druckt Maurizio Gullo damit Herzzellen auf Spezialpapier. Daraus will er Organ-Pflaster machen, die nach einem Herzinfarkt totes Gewebe ersetzen könnten, damit das Herz wieder optimal funktioniert.

Gullos Geheimrezept: Origami. Die japanische Faltkunst nutzt der Forschungsleiter an der Hochschule für Life Sciences der FHNW in der Hoffnung, bald ganze Organe im 3D-Drucker herzustellen.

Heute stehen allein in der Schweiz über tausend Menschen auf der Warteliste für ein gesundes Organ. Gerade für ein Kind, das ein neues Herz braucht, könnte das Origami-Herz aus dem 3D-Drucker das Leben deutlich verlängern.

Neben Menschen will Gullo auch Tierleben retten, zum Beispiel, indem man Medikamente an einer gedruckten Niere im Labor testet: «Da können wir sicher bis zu 60 Prozent der Tierversuche einsparen», sagt Gullo.

Nachhaltige Materialien statt Abfall

Paolo Ermanni hat der Wegwerfgesellschaft den Kampf angesagt. Das Fachgebiet des ETH-Professors sind Kunststoffe. Sein Ziel ist es, weniger Material einzusetzen, das gleichzeitig langlebig ist. Denn auch Hightech-Materialien, die für erneuerbare Energien eingesetzt werden, bleiben häufig als Abfall zurück.

Ermanni und sein Team haben ein Verfahren entwickelt, womit auch Glasfasern, die man zum Beispiel in Windrädern verbauen könnte, rezykliert werden können. Am Ende könnte man den Kunststoff schmelzen, wieder in seine Bestandteile auflösen und neu verwerten.

Vorbild für seine Forschung ist die Natur, sagt der Tessiner: «Wir haben die Möglichkeit, Ansätze aus der Natur in technische Strukturen umzusetzen.» Manchmal aber sei die Kunst des Ingenieurs, Lösungen zu finden, die noch smarter und effizienter sind als die Natur.

Den Wald für die Zukunft stärken

Charlotte Grossiords hatte schon immer eine enge Beziehung zum Wald. Heute will sie ihn für nachfolgende Generationen retten. Denn wie zu viel Hitze und lang anhaltende Dürren die Bäume austrocknen, sieht man jetzt schon im Wallis. Die Bäume sind am Anschlag: Sie können nicht mehr genug Feuchtigkeit aufnehmen, um sich zu kühlen.

Um besser zu verstehen, was im Wald passiert, untersuchen Grossiord und ihr Team auch Pflanzen im Labor mithilfe von Computertomografie: Mit einem Mikro-CT röntgen sie kleine Bäume und analysieren den Wasserhaushalt.

Allein hitzeresistente Baumarten zu pflanzen, reiche nicht, um den Wald zu retten. «Ganze Ökosysteme sind mit dem Wald verbunden», sagt die EPFL-Forscherin: «Wenn unsere Bäume sterben, können wir Pilze, Tiere und andere Arten nicht einfach so ersetzen, indem wir neue Bäume pflanzen.»

Deswegen macht Grossiord für die WSL, die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, in Pfynwald eine Langzeitforschung und kann damit genaue Prognosen über die Klimaerwärmung in der Schweiz treffen. Die gesammelten Daten sollen dabei helfen, Lösungen für den Schutz der Schweizer Wälder zu finden.

SRF1, «10vor10», 07.10.2022, 21.50 Uhr

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