1944 wurde in Basel das «Schweizerische Tropeninstitut» gegründet. Gründer und erster Direktor war einer der bekanntesten Basler Bürger überhaupt: Rudolf Geigy. Der studierte Zoologe, Spross der einflussreichen Chemie-Dynastie Geigy, hat sich zum Ziel gesetzt, den aufkommenden Tropenkrankheiten wie Malaria oder der Schlafkrankheit zu Leibe zu rücken.
Geigy war eine einnehmende Figur, ein Forscher und Abenteurer zugleich, ein passionierter Jäger. Er begründete eine Ära von Tropeninstituts-Direktoren, die durch viel Charisma einiges bewegen konnten und so etwas wie die Botschafter des Unternehmens wurden. Es gehört bis heute zum Credo des Instituts, sich persönlich und vor Ort für die Sache zu engagieren – bis in die Chef-Etage.
Ein Erdferkel wird zum PR-Coup
Rudolf Geigys Kalkül und Abenteurergeist zeigte sich schon früh in einer Anekdote um die erste grosse Expedition der Schweizer Tropenforscher nach Tansania (damals hiess es noch « Tanganyika») nach dem Zweiten Weltkrieg: 1949 hat Geigy nämlich werbewirksam ein Erdferkel eingefangen und in den Basler Zolli gebracht. Diese Aktion hat für viel Aufsehen gesorgt und war damals ein logistisches Bravourstück.
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Bild 1 von 6. Expedition Erdferkel:. 1949 startete Rudolf Geigy eine grosse Expedition nach Tansania. Das Ziel: ein Erdferkel aus Afrika für den Basler Zolli. Bisher hatte noch niemand so ein Tier gefangen. Mit viel Aufwand wurden die Stollen angegraben und dann die scheuen Erdferkel aus ihrem Bau getrieben. Bis schliesslich eines im Netz landete. Bildquelle: Schweizerisches Tropeninstitut, 1949.
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Bild 2 von 6. Ifakara, Tansania:. Zu Fuss musste das Erdferkel in einer Kiste über mehrere Kilometer zur damalige Missions-Station Ifakara getragen werden. Bildquelle: Schweizerisches Tropeninstitut, 1949.
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Bild 3 von 6. Wasser und Insekten fürs Überleben:. Rudolf Geigy fütterte das Erdferkel in der Missions-Station von Ifakara mit Termiten. Mit Wasser und Insekten wurde das Tier auch während der Reise von Afrika nach Basel am Leben gehalten – eine logistische Herausforderung. Bildquelle: Schweizerisches Tropeninstitut, 1949.
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Bild 4 von 6. Beschwerlicher Weitertransport:. Das Erdferkel wurde in seiner Kiste in einem Auto von Ifakara über 200 beschwerliche Kilometer nach Dar-es-Salaam gefahren. Das Auto war das erste Vierradantrieb-Fahrzeug in der Gegend; Rudolf Geigy hatte es selbst mitgebracht. Bildquelle: Schweizerisches Tropeninstitut, 1949.
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Bild 5 von 6. Flugreise nach Basel:. Eine Maschine der Scandinavian Airlines flog das Erdferkel nach Basel. Es war Geigys Kommunikationsgeschick zuzuschreiben, dass damals überhaupt eine Fluglinie einwilligte, das Tier zu transportieren. In Basel wurde das Ferkel für die letzte Etappe auf einen Lastwagen umgeladen und zum Basler Zolli gefahren. Bildquelle: Schweizerisches Tropeninstitut, 1949.
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Bild 6 von 6. Attraktion in Basel:. Das «Afrikanische Erdferkel» wurde zur Attraktion im Basler Zolli; kein anderer Zoo hatte ein solches Tier. Zwei Jahre lebte es dort noch. Rudolf Geigy hatte mit seiner Erdferkel-Aktion und der Dokumentation dieser Expedition einen PR-Coup in eigener Sache gelandet. Bildquelle: Schweizerisches Tropeninstitut, 1949.
Geigy jagte auch Warzenschweine, weil er deren Höhlen als eigentliche Reservoire für Zecken betrachtete, welche das sogenannte Rückfallfieber (Borrelia Recurrentis) übertragen können. Er suchte den Krankheitserreger in den Hirnen der Warzenschweine, homogenisierte diese und spritzte sie Mäusen. Die Einheimischen gaben Geigy aufgrund dieser Arbeit den Übernamen «Bwana Ngiri» – Herr Warzenschwein. In Tansania sind solche Spitznamen als Ehrentitel zu verstehen.
Vom Tropeninstitut zur allgemeinen Gesundheitsversorgung
Seit der Gründung suchte Geigy direkt dort nach den Erregern, wo die Krankheiten am stärksten wüteten: in Afrika. Im Ort Ifakara, in Tansania, legte er den Grundstein für eine bis heute andauernde medizinische Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Tropenkrankheiten auf dem schwarzen Kontinent.
1956 wurde ein einfaches Feldlabor eingerichtet. 1961 gründete Geigy in Zusammenarbeit mit der Tansanischen Regierung das «Rural Aid Centre», in welchem schon früh vor Ort sogenannte «Barfussärzte» ausgebildet wurden, die einfache Dienste in Dispensarien ausführen sollten. Es entwickelte sich parallel zum Forschungs- ein Entwicklungshilfeprogramm. Aus diesem Zentrum erwuchs das heutige «Ifakara Health Institute», eine renommierte Forschungsstation unter anderem für Malaria und HIV, die 2008 gar Trägerin des Prinz-von-Asturien-Preises im Bereich Internationale Zusammenarbeit war. Das Institut wurde 1991 erfolgreich an den Tansanischen Staat übergeben.
Im Fokus der Arbeiten standen lange die Tropenkrankheiten: Malaria, Schlafkrankheit oder Borreliose-Erkrankungen wurden in unterschiedlichsten Stadien erforscht – in Afrika und in Basel. Dabei ging die Forschung und die Ausbildung fachkundiger Kräfte vor Ort Hand in Hand. Mit den Jahrzehnten hat sich das Institut dann verändert und seinen Namen geändert in «Swiss Tropical and Public Health Insititute»: Weg von der reinen «Kolonialmedizin» um Tropenkrankheiten, hin zu Lösungen und Anwendungen auch für die Gesundheitsprobleme der Nord-Hemisphäre: Herzkreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit, Umwelteinflüsse oder Diabetes.
Seit rund 20 Jahren wird auch die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen vorangetrieben. Auch an einem Malaria-Impfstoff wird gearbeitet. Was seit Rudolf Geigy immer weitergeführt wurde, ist die Tradition umtriebiger Institutsleiter, die noch heute als Aushängeschilder des Instituts um die Welt reisen. Wie unsere Bildergalerie über die insgesamt lediglich vier Direktoren in 70 Jahren Institutsgeschichte zeigt.
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Bild 1 von 8. Thierry Freyvogel:. Geigys langjähriger Mitarbeiter und direkter Nachfolger – er leitete das Schweizerische Tropeninstitut von 1972 bis 1987. Er war schon seit der Anfangszeit mit Geigy zusammen in Afrika. Bildquelle: Schweizerisches Tropeninstitut.
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Bild 2 von 8. Pflichtstoff:. Thierry Freyvogel war ein Experte in Sachen Gifttiere. Das Melken einer Puffotter gehörte bei ihm zum Pflichtprogramm angehender Tropenmedizin-Studenten. Die Erforschung der giftigen Tiere hatte auch einen praktischen Zweck: So sollten Unfälle mit ihnen im Alltag vermieden werden. Bildquelle: Schweizerisches Tropeninstitut.
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Bild 3 von 8. Sicherheitsmassnahmen angezeigt:. Diese Spei-Cobra sollte man nur mit entsprechendem Schutz im Gesicht gegenübertreten. Sie kann ihr Gift über mehrere Meter hinweg verspritzen und trifft zielgenau. Bildquelle: Schweizerisches Tropeninstitut.
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Bild 4 von 8. Nur hinter Glas:. Eine Spei-Cobra in Aktion. Bildquelle: Schweizerisches Tropeninstitut.
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Bild 5 von 8. Antoine Degrémont:. Er war von 1987 bis 1997 der dritte Direktor. Er leitete zuvor ein Grossprojekt zur Bekämpfung der Bilharziose auf Madagaskar. Unter ihm wurden am Institut die Lehre, Forschung und Dienstleistung des Tropeninstituts strategischer ausgerichtet. Sein Credo: «Um Krankheiten des Südens zu verhindern, braucht es den Blick auf die Gesundheit als Ganzes.». Bildquelle: Schweizerisches Tropeninstitut.
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Bild 6 von 8. Marcel Tanner:. Heutiger Direktor, seit 1997. Unter seiner Ägide wurde der strategische Kurs Forschung, Lehre und Anwendung weiter ausgebaut. «Die nicht übertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Probleme, Fettleibigkeit, Diabetes haben zu genommen. Es ist heute das gesamte Spektrum der Gesundheitsbürden, auf das wir uns konzentrieren.» . Bildquelle: SRF.
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Bild 7 von 8. Selbst vor Ort arbeiten:. Man kann die Probleme der Menschen nur verstehen, wenn man nah bei ihnen ist. Ganz im Geiste des Gründervaters Geigy hat Marcel Tanner während vier Jahren in Ifakara gelebt und gearbeitet. Es ist so etwas wie seine zweite Heimat geworden, die er regelmässig besucht. Bildquelle: SRF.
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Bild 8 von 8. Das «Ifakara Health Institute»:. Aus dem von Geigy gegründeten Feldlabor und dem erweiterten «Rural Aid Centre» ist heute ein renommiertes Institut mit über 800 Mitarbeitern geworden. In Ifakara ist die Zahl der Malaria-Infektionen ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gesunken, aber noch immer hoch. Bildquelle: SRF.