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Mensch «Ach Felix, was hast du denn da wieder gemacht?»

Bei Sanierungsarbeiten im Theater Solothurn wurde 2012 ein einmaliger Fund gemacht: Malereien, die Überreste des ältesten Theaters der Schweiz; gemalt von Felix Wirz, einem Solothurner Künstler. Restauratorin Brigitta Berndt arbeitet daran, sein Werk zu erhalten. Eine echte Geduldsprobe.

Als Felix Josef Wirz 1771 aus Rom in seine Heimatstadt Solothurn zurückkehrt, ist er überzeugt: Er wird als begnadeter Maler in die Stadt-Annalen eingehen – schliesslich hat Solothurn ihm seine Ausbildung beim berühmten Maler Domenico Corvi gezahlt. Doch es kommt anders: Sein Altarbild der Verkündigung Mariae in der St. Ursenkathedrale gefällt den Stadtbewohnern nicht, die Aufträge gehen zurück. Felix muss sich als Nachtwächter über Wasser halten. Nur den Auftrag für die Malereien im neu gegründeten Jesuiten-Theater bekommt er noch: Er bemalte die Holzverkleidungen der Ränge und Säulen mit roten und blauen Vorhängen und verschiedenen Instrumenten aus der Zeit.

Viel mehr weiss man über den Künstler Felix Wirz nicht. Doch als die Theatergemälde im September 2012 gefunden wurden, ist für die geschichtsbewussten Solothurner sofort klar: dieses Kunstwerk muss erhalten werden. Restauratorin Brigitta Berndt, selbst in Solothurn geboren und aufgewachsen, wurde mit der Wiederherstellung betreut. Aber das war leichter gesagt als getan.

Schwierigkeiten von Anfang an

Schon mit der Papierschicht fing es an. Die alten Malereien waren im 19. Jahrhundert mit einer dicken Schicht zugeklebt worden. Die Restauratoren standen vor der schwierigen Aufgabe, das Papier abzulösen, ohne die darunter liegenden, wasserlöslichen Gemälde zu beschädigen. «Vier Monate haben wir damit verbracht, eine gute Methode zu finden und die Malereien frei zu legen», sagt Berndt. Nach vielen Versuchen war dann die Lösung endlich gefunden: Quark. Der wurde auf das Papier aufgetragen, feuchtete es an und so konnte es endlich abgezogen werden, ohne dass die darunter liegende Farbschicht beschädigt wurde. Der tierische Leim darunter, der zum Aufkleben des Papiers verwendet worden war, löste sich mit Hilfe eines Enzyms, das aus Ananas-Strünken gewonnen wird.

Im August 2013 konnte dann die eigentliche Restaurierung endlich beginnen. «Seit 13 Monaten sind wir jeden Tag am Arbeiten, oft auch sonntags,» erzählt Berndt. «Felix hat nur ein Jahr gemalt!» Der Zustand der frei gelegten Bretter war ganz unterschiedlich – einige der Malereien waren fast vollständig erhalten, bei anderen konnte man nur noch wenig erkennen.

«Die Farben könnte man eigentlich auch essen»

Blick auf die Farbsammlung von Brigitta Berndt
Legende: Nichts synthetisch: Alle Farben stammen aus natürlichen Quellen – viele wurden aus Erden hergestellt. SRF/Laura Zermin

Um die Gemälde zu restaurieren, verwendeten Brigitta Berndt und ihr Kollege Franco Fontana nur «barocke» Materialien: Alle Farben bestehen aus Pigmenten, die so auch zu jener Zeit verwendet wurden. Das Rot der Vorhänge etwa ist chinesischer Zinnober und kostet je 100 Gramm 230 Franken. Für Blau wurde pflanzliches Indigo verwendet, andere Farben wurden aus natürlichen Erden gemischt. «Die könnte man eigentlich auch essen» meint Berndt.

Auch im Vorgehen folgte die Restauratorin immer barocken Methoden. Die Fehlstellen, wo nur noch Holz zu sehen war, wurden zunächst mit Kreide grundiert. In kleinster Detektivarbeit versuchte Berndt dann zu rekonstruieren, welche Instrumente Felix Wirz wo aufgemalt haben könnte. Dabei arbeitete die Restauratorin eng mit einem lokalen Geigenbauer und einem Musikwissenschaftler des historischen Museums Basel zusammen. Anhand alter Enzyklopädie-Einträge und den besser erhaltenen Malereien machten sie sich ein Bild und konnten nach und nach immer mehr der weissen Stellen füllen.

Ein betrunkener Barock-Künstler

An ein paar Lücken half aber auch die geduldige Detektivarbeit nicht weiter. Zwei der Bretter mussten die Restauratoren selbst bemalen, weil sie nicht mehr rekonstruiert werden konnten.

Doch nicht nur die eigentliche Restaurierung bereitete Brigitta Berndt Kopfzerbrechen. «Manchmal dachte ich schon: Aber Felix, was hast du denn hier wieder gemacht?», sagt Berndt. «Besonders bei einigen Vorhängen, da kann man fast den Eindruck gewinnen, er hätte zu viel getrunken – so, wie die geschwungen sind.»

Brigitta Berndt zeigt das Loch im Brett, das Felix Wirz einfach ausgemalt hat.
Legende: Billigstes Material: Brigitta Berndt zeigt das Loch im Brett, das Felix Wirz einfach ausgemalt hat. SRF/Laura Zermin

Was ist an den Malereien denn nun «typisch barock»? Der kantonale Denkmalpfleger Stefan Blank, der die Restaurationsarbeiten eng begleitet, erklärt: «Die ganze Maltechnik, mit der Grundierung, die von einer zweiten Schicht überdeckt wird; der weiche, plastische Schwung der Vorhänge; die detailreichen, gemalten Instrumente – das alles ist typisch für die barocke Zeit.»

Typisch für die Zeit war auch der Geldmangel: Man versuchte, an allen Ecken und Enden zu sparen. Nicht nur wurde Felix Josef Wirz schlecht bezahlt: Auch wurde für die Malereien das billigste Holz verwendet. Berndt zeigt auf ein Loch im Brett: «Hier hat Felix einfach das beste draus gemacht und in das Loch rein gemalt.»

Abschied von Felix

Das Stadttheater Solothurn

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Die Sanierung des Stadttheaters Solothurn ist fast beendet. Anfang November wird die Saalbestuhlung eingebaut und das Theater Ende November offiziell an die Stadt übergeben. Am 30. Januar 2015 findet die grosse Wiedereröffnung statt, mit einer Vorstellung des barocken Theaters «King Arthur».

Mit einer genauen Stilbezeichnung müsse man aber vorsichtig sein, erklärt Denkmalpfleger Blank: Auf den Malereien fänden sich auch Hinweise auf den Übergang zum Klassizismus. Streng genommen fallen die Jahre 1778/79 nicht mehr in den Barock. «Aber wir hier auf der Provinz sind immer ein bisschen später dran», ergänzt Berndt und lacht.

Nun sollen die letzten fertig rekonstruierten Malereien wieder im Theater aufgehängt werden. Die Mühe hat sich gelohnt, 80 Prozent der Gemälde liessen sich wieder hergestellen. Sie werden im sanierten Stadttheater einen Eindruck der über 235-jährigen Theaterkultur Solothurns vermitteln.

Auch Brigitta Berndt freut sich darauf und ist zugleich traurig, trotz ihres gelegentlichen Unmuts über den Malstil «ihres» Künstlers Felix und ihrer vielen Überstunden. Während 13 Monaten hat der Künstler sie begleitet. Jetzt heisst es Abschied nehmen: «Das war der Auftrag meines Lebens.»

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