«Solo East Travel» bringt sie hin. Das Kiewer Reisebüro führt Frühbucher schon ab 99 Dollar durch die Sperrzone. In die zerfallende Stadt Pripjat, wo das Riesenrad seit 30 Jahren still steht und aufs Land, wo nur noch alte Menschen leben; allein und illegal.
Tschernobyl steht auf den Hitlisten der dunklen Orte weit oben. Es erreicht auf dem sogenannten Darkometer einschlägiger Internetseiten 10 von 10 Punkten. Dieselbe Punktezahl wie das ehemalige Foltergefängnis Tuol-Sleng der Roten Khmer in Phnom Penh oder die Massengräber von Ruanda.
Angeführt wird der Darkometer vom Vernichtungslager Auschwitz, das Jahr für Jahr mehr Besucher anzieht. 1,72 Millionen alleine im vergangenen Jahr.
Zwischen Voyeurismus und Sinnsuche
Doch warum gehen Menschen an Orte des Grauens, mit denen sie oft gar keine persönliche Geschichte verbindet? Die noch junge Disziplin der Dark-Tourism-Forschung bemüht sich um Antworten.
Da ist zum einen der banale Voyeurismus und die Faszination für die Fähigkeit des Menschen, Böses zu tun. Aber es gibt auch den aufrichtigen Wunsch, aus der Geschichte zu lernen und unserem dunklen Erbe und dem Tod einen Sinn zu geben. Fachleute sprechen denn auch vom säkularen Pilgern.
Wie viel Dark Tourism vertragen wir?
Der dunkle Tourismus ist ein wachsendes Geschäft. Tod und Desaster werden zum Histotainment aufbereitet, kommerzialisiert und konsumiert. Die Pilgerstätten sind organisiert und mit Schildern, Erfrischungsmöglichkeiten, Toiletten und Souvenirshops ausgestattet. Die Zeugnisse des Grauens werden gewartet und instand gehalten – Gebäude, Schornsteine, Folterwerkzeuge, Kerker, Knochen, Kleider, Haare. Damit wir betrachten können, was vom Grauen übrig blieb.
Dürfen wir das?
Ja, sagen die Ethiker der Dark-Tourism-Forschung. Dunkler Tourismus sei an sich weder gut noch schlecht. Entscheidend sei die Motivation des Betrachters. Und die Frage: Wie viel Dark Tourism erträgt der Mensch, bevor er abstumpft.