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Mensch Dem Kaufverhalten auf der Spur

Die Werbeindustrie will wissen, wie die Konsumenten ticken – und wie ihre Werbung wirken muss, damit Kunden zugreifen. Die Sendung «Einstein» testete mit einer neuen Methode sechs preisgekrönte Werbungen aus dem amerikanischen Super Bowl und der Schweiz.

«Einstein» Werbe-Analyse

Vier Millionen Franken für 30 Sekunden Werbung: Wer im American-Football-Finalspiel des Super Bowls für ein Produkt oder eine Marke werben will, muss tief in die Tasche greifen. Dafür ist der Sendeplatz ein Garant für viele Zuschauer, denn über 100 Millionen Menschen verfolgen jeweils das grösste Sportereignis der USA am TV. Oft schauen sie sogar nur wegen der Werbespots. Nach der Austragung küren User in Abstimmungen ihre Favoriten und erstellen Bestenlisten. Wer zuoberst steht, hat also alles richtig gemacht. Oder? Denn gekauft hat der Kunde ja noch nichts.

Neuromarketing

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Im Neuromarketing verbinden Wissenschaftler Erkenntnisse der Hirnforschung und der Psychologie für das Marketing. Die Daten lassen sich für Wirkungs-Analysen benutzen. Die Forscher beobachten und untersuchen dabei zum Beispiel mithilfe von Magnetresonanz- tomographen die Reaktionen im Gehirn beim Anblick bestimmter Marken, Gesichter oder Produkte.

Die Werber wollen wissen, wie ihre Spots wirken und wie sie aufgebaut sein müssen, damit die Produkte und Marken erfolgreich sind. Was sind die Tricks, damit der Kunde ins Regal greift oder online seine Artikel bestellt? Gibt es einen «Kaufknopf» im Hirn des Verbrauchers, den man nur finden und betätigen muss? Um diese Fragen zu beantworten, spannen Marketingexperten mit der Wissenschaft zusammen – und versuchen mit dem so genannten Neuromarketing Antworten zu finden.

Der Blick ins Gehirn

Mit verschiedensten Methoden messen Forscher heute, was in unserem Gehirn abläuft, während wir Werbung schauen. Sie scannen mit Magnetresonanztomographie oder messen mittels Elektrosensoren und Eyetracking die Vorgänge im Hirn, während eine Testperson einen Spot schaut.

Die Wissenschaftler analysieren dabei das Belohnungssystem im Mittelhirn der Probanden. Es filtert beim Schauen eines Werbespots sofort alle Informationen und entscheidet: «interessiert mich» oder «interessiert mich nicht». Als Reaktion dazu entstehen in unserem Gesicht die passenden Emotionen – also ein Lachen bei positiven Gefühlen, oder ein Ekeln bei negativen Gefühlen.

Layout der Software von Nviso
Legende: Emotionen messen: Eine «Spider-Mask» erkennt die verschiedenen Emotionen und stellt sie rechts unten als Balkendiagramm dar. Nviso

Neue Messmethode

Das Spin-off Nviso der EPFL in Lausanne hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich diese Emotionen messen lassen. Für dieses Verfahren schaut die Testperson auf dem eigenen Computer einen Spot. Die eingeschaltete Webcam filmt dabei das Gesicht. Eine Software ermittelt aufgrund der Gesichtszüge, welche Emotionen der Proband gerade empfindet. Der Entwickler des Programms Matteo Sorci erklärt: «Mein Mund ist deutlich grösser, wenn ich lache, als wenn ich einen neutralen Ausdruck habe.»

Sechs Emotionen kann das System erkennen: Wut, Angst, Überraschung, Trauer, Ekel und eben Freude. Eine Software bestimmt dann einen Durchschnittswert der Gesichtszüge einer Testperson, der in der so genannten Emotionskurve dargestellt wird. (Siehe Spots Videogalerie)

Positive Emotionen am Schluss des Spots

Die Sendung «Einstein» hat in ihrer Spezialsendung zum Thema Werbung dieses Analyse-Tool unter die Lupe genommen und liess sechs preisgekrönte Werbungen untersuchen; 63 Teilnehmer schauten drei Spots des amerikanischen Super Bowls und drei bekannte Schweizer Spots.

Auf der Grafik sieht man den Verlauf der Emotionen aller Testpersonen. Auffällig die Steigung der Kurve bis zum Ende.
Legende: Der Werbespot von Schweiz Tourismus: Auf der Grafik sieht man den Verlauf der Emotionen aller Testpersonen. Auffällig die Steigung der Kurve bis zum Ende. Nviso

In den Tests erreicht der Spot von Schweiz Tourismus optimale Werte, wie Tim Llewellynn, Mitgründer des Spin-off, erklärt: Man sehe deutlich, wie während dem Schauen des Spots die Emotionen zunehmen. Am Ende, wenn sich die Geschichte auflöst und der Schweiz Tourismus-Slogan sowie das Logo erscheinen, klettert die Kurve auf den höchsten Wert – nämlich 89 Prozent. «Eine Story muss so erzählt sein, dass der Zuschauer am Ende positive Emotionen erlebt», sagt Llewellynn. Zudem hat der Spot immer wieder kleine Höhepunkte im Verlauf der Geschichte, die dafür sorgen, dass die Spannung hoch bleibt (siehe Grafik links).

Den Kaufknopf gibt es nicht

Die Lausanner können also bestimmen, welche Arten von Emotionen vorhanden sind und dem Verlauf der Emotionen folgen. Doch positive Gefühle einem Produkt oder einer Marke gegenüber bedeuten noch nicht, dass wir im Laden zugreifen. Die Forscher können also nicht genau vorhersagen, ob jemand ein Produkt kaufen wird oder nicht.

Es scheint, als wäre der Kaufknopf ein Mythos, den so schnell niemand enträtselt. Der Neuromarketing-Experte Heinz Blaser geht noch einen Schritt weiter. Er ist überzeugt: «Den Kaufknopf gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und den wird auch nie jemand finden.»

Im untenstehenden Quiz sind sechs verschiedene Emotionen zu finden. Die Zuordnung des Gesichtes zur richtigen Emotion ist gar nicht so einfach. Viel Spass.

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