Die Kommentare fallen heftig aus, wenn der Luzerner Martin Bühlmann (70) erzählt, was er isst: Dachs, Fuchs oder auch mal eine Katze. Er nimmt die Anfeindungen gelassen und meint, er könne sehr gut nachvollziehen, wenn jemand Mühe habe mit seinen Essgewohnheiten. Auch seine Frau dulde weder Fuchs-, Katzen- noch Dachsfleisch auf ihrem Teller. Deshalb kocht der leidenschaftliche Jäger diese Gerichte nur noch in seiner Jagdhütte im luzernischen Lieli. Oft für sich alleine, manchmal auch für Jägerfreunde.
Auf den Teller statt in die Kadaververbrennung
In seiner Hütte findet der pensionierte Logopäde die nötige Zeit fürs aufwändige Zubereiten und Kochen. Das Meiste auf seinem Tisch kommt aus der Region: Der Wein, die Teigwaren, das Gemüse, Ackerbohnen oder -erbsen – und auch das Fleisch der Tiere, die er oder seine Jägerfreunde im hiesigen Wald schiessen. «Mir ist es lieber, die Tiere zu essen, als sie in den Abfall zu schmeissen, damit sie schliesslich in der Kadaver-Verbrennung landen», meint Martin Bühlmann. Denn er respektiere die Tiere – im Leben wie im Tod.
Katzenfleisch als «Falscher Hase»
Was der Allesesser macht, ist gesetzeskonform. «Im Kanton Luzern dürfen Katzen, die man im Wald antrifft, geschossen werden», erklärt Otto Holzgang, Abteilungsleiter Natur, Jagd und Fischerei im Kanton Luzern, «für den Eigengebrauch ist es erlaubt, das Fleisch von Fuchs-, Dachs- oder auch Katzen, die im Sinne des Jagdgesetzes erlegt wurden, zu essen. Es darf aber weder verkauft noch verschenkt werden.»
Noch vor wenigen Jahrzehnten waren Allesesser weit verbreitet. Fleisch war teuer. Katzenfleisch wurde als «Falscher Hase» angepriesen. Der Luzerner Jagd-Verantwortliche Otto Holzgang kennt mehrere Leute, die Dachsfleisch gegessen haben: «Über die kulinarischen Qualitäten lässt sich anscheinend streiten.» Aber für ihn ist in der ganzen Diskussion klar: «Ich werde in naher Zukunft sowohl Fuchs als auch Dachs mindestens einmal selber zubereiten und essen.»
«Der Allesesser»: ein Filmporträt von Lars Gotsch
Die ebenso spezielle wie konsequente Haltung von Martin Bühlmann hat das Interesse des Studenten Lars Gotsch geweckt. Der 25 Jahre junge Filmer drehte für seine Abschlussarbeit an der Hochschule Chur ein Filmporträt. Für den «Allesesser» erhielt er die Bestnote. Der Film löste bei Dozenten und Studenten Diskussionen und Emotionen aus. Lars Gotsch: «Am Anfang fanden alle: Wäähh, das geht doch nicht! Sie verurteilten Martin Bühlmann als Grüsel. Aber am Schluss des Films zeigten sich die meisten Zuschauer versöhnt und fanden: Der Mann hat recht!»
Im Film erfährt das Publikum, dass Jäger Bühlmann kein Katzenhasser ist. Verwilderte Katzen stören in seinen Augen das natürliche Gleichgewicht des Waldes. Und die Jagdverordnung erlaube ihm, solche Büsis zu töten. Anstatt sie zur Kadaverstelle zu bringen, verwertet er sie. Gut gewürzt landet das Fleisch schliesslich im Kochtopf. «Wenn ich einen Dachs à la Rehpfeffer zubereite, dann schmeckt auch Dachs ganz gut», beurteilt der Hobbykoch sein Gericht.
«Ich habe nichts zu verstecken!»
Der Jungfilmer Lars Gotsch plant nun, seinen Film «Der Allesesser» auf dem Internetportal Youtube hochzuladen. Martin Bühlmann ist damit einverstanden. Denn er habe kein Problem, dass er und seine Essgewohnheit auch in einer breiten Öffentlichkeit kontrovers diskutiert würden.
Bühlmann ist sich bewusst, dass er mit heftigen Angriffe auf seine Person rechnen muss. «Aber ich bin halt nun mal so. Ich esse Dachs-, Fuchs- oder Katzenfleisch. Ich habe nichts zu verstecken!»