Stephen Hawking ist ein brillanter Physiker. Seine Arbeiten über Schwarze Löcher sind preisgekrönt, und noch immer leitet der emeritierte Professor eine kleine Gruppe von Forschern an der Universität Cambridge. Doch das tun auch andere Physiker. Das Besondere an Hawking ist seine Nervenerkrankung. Sie fesselt ihn seit Jahren an den Rollstuhl, sie hat ihm die Stimme geraubt – und sie hat ihm seinen Welterfolg ermöglicht. «Ich entspreche dem Klischee des behinderten Genies», schreibt Hawking in seiner Autobiografie, die soeben veröffentlicht worden ist. Es ist die Geschichte eines ganz normalen Jungen, der durch eine schlimme Diagnose zum Held wurde.
Wille zum Erfolg
Das Buch beginnt bei Hawkings glücklicher Kindheit in England. Er beschreibt sich als Kind, das gerne Spielzeugeisenbahnen mochte und eigene Strategiespiele erfand. So weit, so gewöhnlich. In der Schule war Hawking Durchschnitt und auch an der Universität Oxford stach er nicht besonders hervor. Dann aber, mit 21, bekam er die Diagnose ALS (siehe Infobox). Und damit erwachte sein Lebensdurst und sein Wille zum Erfolg.
So erzählt es Hawking in seiner Autobiografie. Sie trägt den Titel «Meine kurze Geschichte» — eine Anspielung auf seinen Bestseller «Eine kurze Geschichte der Zeit» aus dem Jahr 1988. Dieses Buch wurde in gut 40 Sprachen übersetzt und mehr als 10 Millionen Mal verkauft. Es ist eines der berühmtesten populärwissenschaftlichen Bücher überhaupt. In seiner neuen Biografie beschreibt Hawking, wie es zu diesem Welterfolg kam. Er brauchte damals offenbar Geld für die Ausbildung seiner Tochter, vor allem aber wollte er der Welt etwas von seinem Fachgebiet erzählen, von der Kosmologie — der Lehre vom Universum.
Herr der Schwarzen Löcher
Hawking hatte also eine Mission und dafür suchte er sich gezielt einen Agenten und einen guten Verlag. Er wollte, dass sein Buch an Flughäfen verkauft werden würde. Und das schaffte er auch, obwohl der Inhalt des Buches ziemlich kompliziert ist. Es geht darin zum Beispiel um den Urknall oder um Schwarze Löcher. Das sind Stellen im Universum, die so dicht und schwer sind, dass sie alle Materie in der Nähe einsaugen. Nicht einmal Licht kann ihnen entgehen.
Schwarze Löcher sind mathematisch sehr schwer zu fassen. Aber Stephen Hawking hat diese komplizierte Mathematik gemeistert. Dank ihm wissen wir heute mehr über Schwarze Löcher als früher. So hat Hawking zum Beispiel plausibel gemacht, dass Schwarze Löcher mit der Zeit zerstrahlen. Sie geben nämlich die sogenannte Hawking-Strahlung ab. Über diese Erkenntnis schreibt er auch in seiner neuen Autobiografie, nicht ohne Stolz.
Kein zweiter Einstein
Links zu Hawking
Seine wissenschaftlichen Erfolge sind tatsächlich beachtlich, aber er ist nicht unbedingt der beste Physiker seiner Generation. Er ist kein zweiter Einstein, obwohl ihn seine Mitschüler früher so nannten. Das weiss Stephen Hawking. Er verdanke seine Berühmtheit auch seiner Behinderung, schreibt er in seiner Autobiografie. Er sei reiner Geist in einem fast nutzlosen Körper.
Daraus hat Hawking das Beste gemacht. Eine ganze Maschinerie aus Helfern und Technik ermöglicht ihm, noch immer zu arbeiten und zu schreiben. Obwohl er heute nur noch einige Muskeln im Gesicht bewegen kann. Kommt hinzu, dass Hawking sich nie zu schade war, sich selbst und seine Forschung populär zu präsentieren. Gerade ist in Grossbritannien und den USA ein neuer Dokumentarfilm angelaufen, in dem der Forscher sich über die Schulter schauen lässt.
Stephen Hawking trat auch mehrfach in Fernsehserien auf, zum Beispiel in den «Simpsons», in «Star Trek» oder in der Serie «The Big Bang Theory». Dort nimmt er sich auch gern selbst auf die Schippe. Er kokettiert mit dem Klischee, das er darstellt. Und macht sein Schicksal so erträglich.
Er hat Glück gehabt
Natürlich hatte Hawking auch viel Glück. Zum Beispiel das Glück, begabt zu sein für die theoretische Physik, eines der wenigen Gebiete, wo seine Behinderung nicht wirklich stört. «Ich hatte ein erfülltes Leben», schreibt der Physiker in seiner Autobiografie. Er zeigt aber auch viel Mitgefühl mit all jenen, denen es nicht so gut geht.
Er setzt sich ein für die Rechte von Behinderten, und am vergangenen Dienstag hat er sich erstmals öffentlich für eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe ausgesprochen. «Wir lassen Tiere nicht leiden, wieso dann Menschen?», sagte er dem Sender BBC. Und weil er so berühmt ist, ging die Meldung gleich um die Welt.