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Mensch Die Magie des Unbewussten

Über 90 Prozent von allem, was wir täglich tun, erledigt unser Gehirn quasi ohne uns. Wie sehr wir von unbewussten Mustern im Kopf gesteuert werden, ist schon fast unheimlich. Die gute Nachricht: Auf unseren inneren «Autopiloten» ist meistens Verlass.

Lesbar trotz Buchstabensalat

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Wenn sie denken, dass sie eine Idee hatten, dann hatte ihr Gehirn diese Idee schon vorher. Klingt irgendwie verdreht, oder? Wenn sie einen Buchstabensalat vor sich haben, sind sie trotzdem in der Lage, den Text fast mühelos zu lesen – ihrem automatischen Gehirn sei dank (siehe Beispiel rechts).

In einem Bruchteil von einer Sekunde entscheiden wir, ob wir jemanden anziehend finden oder nicht – in wen wir uns verlieben, scheint unser Gehirn lange vor uns zu wissen. Oder wie es der australische Neurowissenschaftler Allan Snyder umschreibt: «Bewusstsein ist nur eine PR-Aktion Ihres Gehirns, damit Sie denken, Sie hätten auch noch was zu sagen.»

Intelligenz unterhalb des Bewusstseins

Matthias Brand ist Professor an der Universität Duisburg-Essen. Er erforscht anhand von Tests die geheimen Botschaften unseres unbewussten Gehirns, die uns bei jeder Entscheidung helfen. Ohne dass wir wissen, wie und warum. Beim «Iowa Gambling Test» beispielsweise wählt eine Testperson aus vier Stapeln Karten. Parallel dazu werden kleinste Schweissabsonderungen der Haut gemessen – Stressreaktionen also, wie bei einem Lügendetektor. 

Proband beim Iowa-Gambling-Test, bei dem vier Kartenstapel Gewinne oder Verluste bringen.
Legende: Gewinn oder Verlust? Beim «Iowa Gambling Test» wurden nicht nur Entscheide der Probanden festgehalten, sondern auch körperliche Reaktionen. SRF

Im Test gibt es «gute» Stapel, die regelmässig kleine Gewinne bringen. Und «schlechte», in denen sich hohe Verluste häufen. Nach und nach entwickelt die Testperson eine Vorliebe für die guten Stapel. Aber erst nach 80 Karten kann sie erklären, warum. Ihr Gehirn aber weiss schon nach 10 Karten mehr als sie: Vor jedem Griff zu einem schlechten Stapel misst Matthias Brand nämlich bereits erste Stressreaktionen. «In der Summe haben wir, bevor wir eine vage Vermutung oder gar ein Bewusstsein dafür haben, was gut für uns ist, bereits auf körperlicher Ebene Signale, die uns vor einer ungünstigen Entscheidung warnen», sagt er.

«Geheimdienst» in unseren Köpfen

Keiner von uns weiss genau, warum wir tun, was wir tun. Für die Hirnforscher ist klar: Unser Verstand zieht oft den Kürzeren gegen unser Unbewusstes. Denn Nachdenken strengt unser Gehirn an. Es ist deshalb auf wenige «Rechenzentren» in der Grosshirnrinde begrenzt. Unsere bewusste Intelligenz ist bereits mit einem Gedanken oder fünf Informationseinheiten gleichzeitig voll ausgelastet.  Doch unterhalb der Grosshirnrinde arbeitet eine andere Form von Vernunft. Hier hat der Hippocampus all unsere Erfahrungen abgespeichert. Und unsere Erfahrungen und Erinnerungen bestimmen, was wir tun.

Die entscheidenden Schaltstellen dabei sind das Angst- und Panikzentrum und ihre Gegenspieler, die Glücks- und Belohnungszentren. Beide entziehen sich unserer bewussten Kontrolle. Dieser «Geheimdienst» in unseren Köpfen analysiert jedes Signal von aussen, bevor es uns bewusst wird. Und er verpackt das Ergebnis als Gefühl. Die Grosshirnrinde, als unsere Vernunft, empfängt die Kurzmitteilung, kann sie aber nicht zurückverfolgen. Wir sind offenbar so verdrahtet, dass unser Bewusstsein alle unbewussten Einflüsse leugnet.

Irritierende Einsichten aus Versuchen

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Das automatische Gehirn – die Macht des Unbewussten (2/2): «Horizonte» am 14. April um 15:30 Uhr  auf SRF 1

Der bekannte Psychologe John Bargh von der Universität Yale verfolgt dieses Phänomen mit simplen Experimenten, die aber verblüffen: «In unseren Tests haben wir Leute auf harte Stühle gesetzt und sie verhandeln lassen», erzählt er, «und sie haben härter verhandelt, weniger kompromissbereit. Leute in weichen Stühlen waren dagegen kompromissbereiter.»

In einem Rollenspiel als künftiger Chef im Gespräch mit einem Bewerber gab Bargh einigen Probanden ein schweres Klemmbrett – der einzige Unterschied in der experimentellen Situation. Doch die so ausgerüsteten «Chefs» fanden ihre «Bewerber» seriöser und ernstzunehmender. Wenn Sie also das nächste Mal ihrem Chef gegenüber sitzen: Sitzt er auf einem gemütlichen Sessel und hält er ein Klemmbrett in den Händen? Dann haben sie schon halb gewonnen!

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