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Grafik: Leckende Leitung: Bei der Matur sind es noch 40 Prozent Frauen, im Studium und Doktorat noch 30 Prozent, in die Forschung gehen nur noch 24 Prozent und mit Professor-Titel findet man nur noch 12 Prozent Frauen.
Legende: Auf jeder Stufe werden es weniger: Wie die Frauen mit wissenschaftlich-technischer Matur der ETH verloren gehen. SRF/Markus Vogt

Mensch ETH: «Das Nerd-Image schreckt junge Frauen ab»

Es fängt schon beim Schulabschluss an: Da gehen der ETH zwischen Matur und Studienbeginn zehn Prozent der Frauen verloren, die an der Schule die Richtung Mathe/Physik oder Bio/Chemie eingeschlagen haben. Bis zur Professorin schafft es nur ein Bruchteil von ihnen. Das will die ETH ändern.

«Die ETH hat ein Image-Problem» seufzt Renate Schubert, Gender-Delegierte des ETH-Präsidenten und Leiterin der Stelle für Chancengleichheit. «Wir haben letztes Jahr Befragungen an Schulen durchgeführt und da hören wir bei vielen jungen Frauen: An der ETH, da sind doch nur Nerds». Zudem hat die Eidgenössische Technische Hochschule den Ruf, keine einfache Uni zu sein. «Das trauen sich Frauen schlicht weniger zu als Männer, auch wenn sie in den exakten Wissenschaften genauso stark sind», sagt Schubert.

Nach der Matur: Von 40 auf 30 Prozent

«Einstein»-Serie

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«Frauen in Männerdomänen»: Die Physikerin (Teil 1/5), am 22. August um 21 Uhr auf SRF 1

Schon beim Übergang von der Schule zur Uni beginnt es also, das Phänomen mit dem sinnbildlichen Namen «Leaky Pipeline». Die «lecke Leitung» steht als Symbol für die Hochschul-Laufbahn der Frauen: Auf dem Weg von der Matur bis zur ordentlichen Professur gehen sie ständig verloren, tröpfeln weg, bis am Ende fast nur Männer die obersten Positionen innehaben. Das Phänomen beginnt schon nach der Matur: Unter den Schulabgängern mit einer wissenschaftlich-technischen Matur – die also besonders geeignet wären, an der ETH zu studieren – sind 40 Prozent Frauen. Doch in den Hörsälen sitzen schliesslich nur 30 Prozent.

Die Ökonomie-Professorin Schubert ist überzeugt, dass der Lehrplan mit Schuld ist an diesem Problem. Wie an fast allen Hochschulen sei er auch an der ETH noch immer zu klassisch aufgebaut, beginne mit Grundlagen-Vorlesungen in Mathematik oder Physik, statt erst einmal ganz praxisorientierten Probleme in den Vordergrund zu stellen. Das schrecke grundsätzlich ab, meint Schubert: «Wieso können wir uns nicht schon ganz am Anfang mit der Optimierung des Schneeschippens vor der Türe befassen?».

Das Hauptgebäude der ETH Zürich.
Legende: Nerd-Institution ETH: Ein Image gegen das die Hochschule aktiv vorgeht. ETH Zürich/Esther Ramseier

Eine attraktivere Lehre an der ETH, da ist sich die Gender-Beauftragte sicher, würde sich in der Frauenquote niederschlagen. Schubert zitiert Studien, die aufzeigen, dass Frauen häufig vielseitig begabt sind, während Männer meistens eine Paradedisziplin haben. «Frauen haben demzufolge viel mehr Optionen bei der Wahl ihres Studienfachs – darum müssen wir auch viel mehr um sie buhlen.»

Knackpunkt Doktortitel: Von 30 auf 24 Prozent

Doch selbst, wenn sich die Frauen für ein Studium an der ETH entschieden haben: Das nächste grosse Leck der Karriere-Pipeline kommt nach dem Doktortitel. Dort sinkt der Frauenanteil von 30 auf 24 Prozent. Das musste Ökonomin Schubert am eigenen Leib erfahren, als sie zwei Forscherinnen nach dem Doktorat verlor. Die Frauen waren um die 30 und stellten die Weichen für die Familienplanung; beide sahen sich eher auf einer Teilzeitstelle mit geringem Pensum.

Solche Stellen hat die ETH durchaus zu bieten – aber sie sind nicht geeignet, um akademische Karriere zu machen. «Dabei gibt es von den Präsenzzeiten her kaum einen flexibleren Job als Professorin, das ist zumindest meine persönliche Erfahrung», erinnert sich die 58-jährige Schubert. «Als meine Kinder klein waren, verbrachte ich oft nachmittags Zeit mit ihnen, die ich abends und nachts dann wieder reinholte. Man darf sich nicht vom Rabenmutter-Image abschrecken lassen, mit dem Vollzeit arbeitende Mütter in der Schweiz immer noch konfrontiert sind».

Porträt von Renate Schubert
Legende: Renate Schubert: Die Ökonomie-Professorin setzt sich als Gleichstellungsbeauftragte für mehr Forscherinnen an der ETH ein. ETH Zürich

Mit dem Namen Equal! gibt sich die ETH-Stelle für Chancengleichheit heute einen modernen Anstrich. Was vor 22 Jahren als Frauenanlaufstelle seinen Anfang nahm, hat sich bis heute grundlegend verändert. «Vor 20 Jahren setzte man sich für Wickeltische auf den Toiletten ein, das war damals wichtig», so Schubert. Heute versucht die Stelle Substantielleres zu bewirken. Zum Beispiel bei den Tenure Tracks, befristeten Professorenstellen mit Aussicht auf spätere Festanstellung.

Gründlichkeit versus Veröffentlichungen

An der ETH Zürich kommen in den nächsten Jahren einige der Tenure-Track-Professorinnen ans Ende ihrer befristeten Verträge und die ETH muss entscheiden, ob sie sie definitiv als Professorinnen anstellen will. Es scheint laut Schubert gewisse Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu geben, die die Auswahl nicht ganz einfach machen: «Die Männer haben im Durchschnitt viel veröffentlicht, also viel Zählbares produziert. Manche Frauen hingegen haben zunächst Datenbanken oder Versuchsapparaturen aufgebaut, um sich eine solide Forschungsbasis zu schaffen. Sie haben dabei Zeit für Publikationen verloren». Aber gerade diese sind ein wichtiger Erfolgsindikator, besonders im internationalen Wettbewerb, in dem die ETH steht.

Die ETH hat bei der Verteilung der langfristigen Professuren eine schwierige Aufgabe vor sich. Denn der eher männliche Publikationsdrang steht dem eher weiblichen, gründlicheren Forschungs-Ansatz gegenüber, der ebenfalls seine Berechtigung hat. Solide Datenbanken oder Versuchsapparaturen versprechen nämlich in Zukunft eine Reihe guter Publikationen.

Ziel Professorin: Von 24 auf 12 Prozent

Beim Schritt von der Forschung zur Professur – hier sind die Tenure-Track-Professuren inbegriffen – gehen noch einmal die Hälfte der Frauen verloren: Ihr Anteil sinkt von 24 auf 12 Prozent. Ein Grund sind die Mechanismen bei Bewerbungsgesprächen für Professuren. Da spielten immer wieder typisch frauliche Eigenschaften mit hinein, erzählt Renate Schubert. Männer verkauften sich häufig besser, seien von sich selbst sehr viel mehr überzeugt, während Frauen im Durchschnitt bescheidener aufträten und lieber einmal zuviel tiefstapeln als sich über Gebühr anzupreisen. «Aber das ist dem ETH-Präsidenten Ralph Eichler sehr wohl bewusst, so dass er hier gegensteuern kann», fügt die Gender-Delegierte hinzu.

Sie hat schon einiges erreicht, aber sie sieht sich noch lange nicht am Ziel. Es gäbe immer noch Professoren an der ETH, die Angst hätten, die ETH würde mit mehr weiblichen Professorinnen in die Mittelmässigkeit abrutschen, erzählt sie und fügt engagiert hinzu: «Mit konkreten Erfolgsbeispielen kann ich sie dann in der Regel doch vom Gegenteil überzeugen».

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