Am 30. August 1687 zählte der Torwächter in Genf 8000 Ankömmlinge – in einer Stadt, die damals 16‘000 Einwohner hatte. An einem einzigen Tag also drängten halb so viele Menschen nach Genf wie dort lebten. Auf die Schweiz von heute übertragen, wäre dies dasselbe, als wenn an einem Tag vier Millionen Flüchtlinge unser Land erreichten.
Die sogenannten Hugenotten flohen aus Frankreich, weil Soldaten des französischen Königs Ludwig XIV. sie verfolgten. Denn sie waren Protestanten; das störte den König auch aus machtpolitischen Gründen. Und so beendete der Sonnenkönig am 18. Oktober 1685 – vor fast genau 330 Jahren – mit dem Edikt von Fontainebleau die Glaubensfreiheit der französischen Protestanten.
Staatsgewalt gegen Kirchen und Schulen
Diese Glaubensfreiheit hatte der Grossvater von Louis XIV. installiert – mit dem Edikt von Nantes . Mit dem Widerruf dieser Regelung kam es, wie schon früher, zur gewalttätigen Unterdrückung der Hugenotten. Kirchen wurden zerstört, protestantische Schulen geschloessen. Durch Ludwigs Massnahmen flohen von 1685 bis 1730 etwa 200‘000 Hugenotten ins Ausland – nicht nur in die Schweiz, sondern auch in die Niederlande, nach Preussen, England und Nordamerika.
In der Deutschschweiz sind aus dieser Fluchtwelle fünf franzöisch-sprachige reformierte Kirchen entstanden, unter anderem in St. Gallen, Zürich und Bern. Es gibt sie immer noch. Diese Denkmäler zeigen: Die Schweiz profitiert bis heute davon, dass sie vor 300 Jahren eine für ihre Verhältnisse enorme Zahl von Glaubensflüchtlingen aufnahm und integrieren konnte.