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Mensch Glücklich werden im Klassenzimmer

Die Einen glauben das Glück wächst mit einem vierblättrigen Kleeblatt, andere hängen sich in der Hoffnung auf Glück ein Hufeisen übers Bett. Doch kann Glück ein Schulfach sein? Das Theresianum Ingenbohl in Brunnen Kanton Schwyz meint: Ja. Einblick in den ungewöhnlichen Unterricht.

Selina Maccioni lässt sich fallen und von den anderen auffangen. Ein Glücksmoment? Vielleicht. Die 15-jährige Schülerin ist eine der ersten in der Schweiz, die in den Genuss des Schulfachs «Glück» kommen. Die Schwankende Birke – so heisst diese Übung – soll Vertrauen schaffen und ist eine der Aufgaben, die den Schülern das Glücklich sein lehren sollen.

Wie lernt man Glück?

Doch lässt sich Glück überhaupt erlernen? Auf jeden Fall, meint Kursleiterin Marina Berini. Das Schulfach hat sie am Ernst-Fritz-Schubert-Institut in Deutschland kennengelernt. Hier startete der Begründer der Idee 2007 mit ersten Unterrichtseinheiten.

Mittlerweile wurde das Schulfach Glück an über hundert deutschen Gymnasien und Schulen erfolgreich durchgeführt. «Wir stärken ihre Persönlichkeiten, indem wir Erfahrungen und Schlüsselerlebnisse schaffen und dadurch eine Einstellungsveränderung bewirken», erklärt Berini, «wir wollen eine Haltung erreichen, sodass sie ihr Leben als aktive Gestalter in Angriff nehmen.»

Keine Kuschelpädagogik

Glück statt Grammatik: Für Clemens Gehrig hat das nichts mit Kuschelpädagogik zu tun. Der Rektor ist überzeugt, die Schule muss heutzutage mehr leisten als nur Daten und Fakten vermitteln. Das Schulfach Glück, so hofft er, hilft den Schülern aufzublühen – allen Widerständen zum Trotz.

«Das Klassenzimmer verwandelt sich dadurch auf keinen Fall in einen Therapieraum», sagt Gehrig, «im Gegenteil, es ist erwiesen, dass glückliche Schüler besser lernen. Wir dürfen das seelische Wohlbefinden der Schüler aus dem Bildungsprozess nicht ausklammern». Der Rektor möchte in dem Pilotversuch das Schulfach Glück auf seine Wirkung testen. Nach einem Jahr soll Bilanz gezogen werden, so der Plan.

Zu 40 Prozent in unserer Hand

Forscher haben herausgefunden, das Glücklich sein zwar zu 50 Prozent genetisch bedingt ist und zu weiteren 10 Prozent durch äussere Umstände beeinflusst wird. Doch ganze 40 Prozent trägt die eigene Haltung zur Gemütsverfassung bei. Sollte Glück deshalb nicht auch in der Schweiz ein Schulfach sein?

Christian Amsler, oberster Schweizer Schulleiter, steht der Idee offen gegenüber. Er und seine Kollegen von der Erziehungsdirektorenkonferenz haben sogar darüber diskutiert, das Fach in den Lehrplan 21 aufzunehmen. Entschieden sich dann aber dagegen. «Immer wenn man neue Fächer kreiert, muss man sich fragen, auf wessen Kosten», erklärt Amsler, «wir haben volle Stundenpläne und einen grossen Finanzdruck, da können wir nicht einfach noch obendrauf ein neues Fach Glück einführen.»

Ausbalancieren in der Gruppe

Zurück in Brunnen: Selina und die anderen Schülerinnen der Mädchenschule stehen auf einem Holzbrett und müssen gemeinsam dafür sorgen, dass es nicht den Boden berührt und sie nicht herunterfallen. Die Übung soll sie lehren, auch in der Gruppe Schwierigkeiten zu meistern. Noten gibt es für das Schulfach Glück noch nicht.

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