Ist eine Forschungsarbeit abgeschlossen, gilt es, die Resultate in der wissenschaftlichen «Community» bekannt zu machen – sie also zu publizieren. In den Naturwissenschaften geschieht das in der Regel in Form von Artikeln in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. In den Sozial- und Geisteswissenschaften sind auch Monographien verbreitet, also Bücher zu jeweils einer bestimmten Fragestellung.
Diese Monographien hat eine holländische Studie untersucht. Die Studienautoren der Oapen-Stiftung und der britischen Coventry-Universität wollten wissen, wie gut die zunehmend verbreiteten Gratis-Online-Monografien (sogenannte Open-Access-Monografien) sich punkto Nutzung, Kosten und Einfluss behaupten – im Vergleich zu den käuflichen gedruckten Monografien. Ausgewertet wurden 50 Open-Access-Bücher in der digitalen Bibliothek von Google Books und 50 Bücher, die nur gedruckt erscheinen. Ein Teil der gedruckten Bücher war zudem ebenfalls auf Google Books im Angebot, wobei die User jeweils nur einige Seiten gratis einsehen konnten.
Mehr Leser, aber nicht mehr Einfluss
Das Ergebnis: «Open-Access-Publikationen haben ein massiv grösseres und auch ein internationaleres Lesepublikum», so Eelco Ferwerda von der holländischen Oapen-Stiftung. Ein Open-Access-Buch erzielte im Schnitt 2800 Downloads, während ein gedrucktes Buch im Schnitt 144 mal, also 20 mal weniger verkauft wurde. Viele Leser und Leserinnen hatten in den Online-Büchern auch tatsächlich gelesen, wie die Auswertung von Page-Klicks ergab.
Erstaunlicherweise führte die rege Nutzung des Open-Access-Angebots nicht zu Verkaufseinbussen bei den gedruckten Büchern. Und erstaunlich auch: Die Gratisbücher im Internet vergrösserten zwar die Leserschaft, doch offenbar nicht den wissenschaftlichen Einfluss der Buchautoren. Eine Auswertung mit der Suchmaschine Google Scholar ergab: Wer sein Buch online stellt, wird deswegen nicht öfter in anderen wissenschaftlichen Werken zitiert als wer nur eine gedruckte Monografie veröffentlicht.
Aufs falsche Pferd gesetzt?
Viele Zitationen in der Forschungsliteratur wünscht sich wohl jeder Studienautor. Je sichtbarer die eigene Arbeit dort ist, umso besser für die wissenschaftliche Karriere.
Setzen also die Forschungsförderer aufs falsche Pferd, wenn sie – wie kürzlich der Schweizerische Nationalfonds – ihre Finanzierung von wissenschaftlichen Büchern in Richtung Online-Buch verlagern? Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) finanziert seit letzten Sommer Open-Access-Publikationen stärker und macht dafür Abstriche beim gedruckten Buch.
Ingrid Kissling vom SNF sieht allerdings keinen Grund, an der neuen Förderpolitik zu zweifeln. Sie geht ebenso wie Eelco Ferwerda davon aus, dass die Dauer der holländische Pilotstudie – 1,5 Jahre – zu kurz war, um zuverlässig zu bestimmen, wieviele Zitationen eine Publikation auslöst. «Das braucht mehr Zeit und noch weitere Analysen».
Nationalfonds lanciert Studie für die Schweiz
Solche Analysen will der Schweizerische Nationalfonds nun selbst durchführen. Ab Mitte Februar wird der SNF verschiedene Modelle von Online- und Print-Publikationen miteinander vergleichen, mit ähnlichem Fokus wie die Studie aus den Niederlanden. Allerdings, betont Ingrid Kissling, wolle der SNF im Schweizer Projekt nicht nur wichtige Daten und Fakten erheben, sondern auch «einen Lernprozess durchlaufen», und zwar gemeinsam mit Verlagen, Forschenden oder Bibliotheken.
Mit im Boot sind beim neuen Projekt also auch jene, die die onlinefreundlichere Buchförderung des SNF letztes Jahr heftig kritisiert hatten. Ob die Kritik sich legt, wird zu sehen sein. Bis in drei Jahren soll die neue Studie Ergebnisse liefern.
Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 29.1.2015, 08.10 Uhr