SRF: Frau Voss, sie haben sich an ein heisses Eisen gewagt: erste Liebe, Beziehung und Sexualität bei Jugendlichen. An wen richtet sich die Reihe «Erste Liebe»?
Anne Voss : Die Reihe richtet sich hauptsächlich an Jungen und Mädchen ab 14 Jahren. Sie erleben ihre erste Liebe, sind neugierig auf Sex und wünschen sich eine vertrauensvolle Beziehung.
Wissen Jugendliche mit 14 nicht sowieso schon alles über Sex?
Jugendliche in diesem Alter informieren sich natürlich im Internet, in der «Bravo» oder in der Schule. In den Medien werden sie mit sexuell aufgeladenen Bildern überflutet. Sie wissen alles über Sex, vieles aber nur halb oder nicht so richtig. Das trägt zu ihrer Desorientierung und Verunsicherung bei.
Trotzdem wird in der Reihe «Erste Liebe» nicht erklärt, wie das mit den Blümchen und Bienchen funktioniert. Warum nicht?
Der Film ist kein klassischer Aufklärungsfilm. Er knüpft an das an, was die Jugendlichen im Sexualkundeunterricht gelernt haben. Der biologische Vorgang der Fortpflanzung und die Mechanik der Sexualität ist das Eine. Das Andere ist, sich bewusst zu werden, was bei ersten sexuellen Erfahrungen auf der Gefühlsebene passiert: Was gefällt mir und was nicht? Wo sind meine Grenzen? Was kann schief gehen? Die Jugendlichen profitieren von Erfahrungsberichten Gleichaltriger. Diese sprechen ziemlich offen über sexuell übertragbare Krankheiten, unverhoffte Schwangerschaften oder die Gefahren von Sex unter Alkoholeinfluss. Das ist auch eine Art der Aufklärung.
Warum kommen keine Experten, Sexualpädagogen oder Psychologen zu Wort?
Experten wissen und erklären. Die Jugendlichen im Film sprechen aus Erfahrungen, die sie gerade erst gemacht haben. Das interessiert und überzeugt andere Jugendliche. Sie sehen, wie ernsthaft und gleichzeitig locker man über Sexualität sprechen kann. Die Jugendlichen sind in diesem Fall die besten Experten. Deshalb ist das Motto der Reihe: «Jetzt reden wir». Aber natürlich stehen Experten und anerkannte Sexual- und Medienpädagogen hinter dieser Reihe und haben die Realisierung begleitet.
Hatten die Jugendlichen Mühe damit, vor laufender Kamera über intime Themen zu sprechen?
Nein. Es war von Anfang an eine Offenheit da. Die Jugendlichen hatten ein Bedürfnis und auch Lust, etwas über sich zu erzählen. Wir haben keine klassischen Interviews geführt, sondern uns mit den jungen Frauen und Männern unterhalten. Es liegt dann in der Verantwortung der Macher, das Vertrauen der Jugendlichen nicht zu missbrauchen. Nicht alles, was vor der Kamera gesagt wird, gehört in die Öffentlichkeit.
Was haben die Eltern der Jugendlichen dazu gesagt, dass ihre Sprösslinge in der Öffentlichkeit ihre Intimitäten austauschen?
Das war ganz unterschiedlich. Einige wollten nicht, dass ihre Kinder mitmachen. Bei anderen war es sogar die Idee der Eltern. Alle Beteiligten und deren Eltern waren damit einverstanden, dass die Jugendlichen in der Öffentlichkeit über intime Themen sprechen.
Waren Sie in dieser Produktion eher Pädagogin, Psychologin oder Filmemacherin?
Für Pädagogen, Psychologen und Filmemacher gilt das Gleiche: Du sollst nicht langweilen! Ich bin Filmemacherin mit pädagogischem und psychologischem Hintergrund und hoffe, dass ich die Zuschauerinnen und Zuschauer mit dieser Sendereihe nicht langweile. Die Filme sind unterhaltsam, inspirierend und lehrreich.