Die Idee des Putzpersonals am Flughafen von Amsterdam war bestechend einfach: Es klebte das Bild einer kleinen Fliege in die Pissoirs auf den Herrentoiletten. Und siehe da: Die Herren fühlten sich herausgefordert und versuchten, die Fliege zu treffen. Der Putzaufwand reduzierte sich in der Folge schlagartig um 80 Prozent.
Solche Anekdoten brachten den Ökonomen Richard Thaler auf die Idee, dass solche kleine Anreize oder «Schubser» – wie er sie nannte – auch in der Wirtschaft und Politik funktionieren könnten. Ein Buch von ihm zu diesem Thema wurde 2008 ein Bestseller.
Erfolgsbeispiele aus zwei Ländern
Die Idee gefiel vielen Regierungschefs, darunter US-Präsident Barack Obama und dem britischen Premierminister David Cameron. Sie gründeten – von Richard Thaler beraten – umgehend nationale «Schubs-Abteilungen».
Sowohl die britische als auch die US-Abteilung legten vor kurzem Berichte ihrer Erfolge vor. Und die gibt es. Zum Beispiel konnte die Anzahl der säumigen Steuerzahler in Grossbritannien reduziert werden. Und zwar lediglich mit einem kleinen Zusatz im Mahnbrief, der darauf hinwies, dass 90 Prozent der Steuerzahler rechtzeitig bezahlt hatten. Nur schon dieser eine Satz habe innerhalb von drei Wochen zu fünf Prozentpunkten mehr Zahlungen geführt, sagt Richard Thaler.
Wirkung nicht garantiert
Ein weiteres Beispiel: Um Mitarbeitende der US-Regierung dazu zu bringen, der Umwelt zuliebe öfter doppelseitig zu drucken statt einseitig, wurde ein Popup-Fenster am Bildschirm eingerichtet. Die Mitarbeitenden mussten es fürs einseitige Drucken wegklicken. Dieser kleine Zusatzaufwand reichte, um mehr Angestellte auf doppelseitigen Druck «umzustellen».
Die Berichte sind voller solcher Erfolgsbeispiele. Allerdings wirken viele Massnahmen nur schwach; das gibt auch Richard Thaler zu. Doch bei Millionen von Menschen summierten sich die Effekte auf, so der Ökonom.
Oft funktionieren die Schubser allerdings auch gar nicht. Etwa Warnungen vor den Gefahren des Rauchens auf Schwangerschaftstests oder Energieeffizienz-Labels auf Haushaltsgeräten. Doch auch von Misserfolgen könne man lernen, findet Thaler.
Manipulation?
Ein schwerer Vorwurf an die Adresse von Thaler und seinen Kollegen ist der, die Menschen zu manipulieren. Dürfen Regierungen ihre Bürger überhaupt so «schubsen»? Und wo liegen allenfalls ethische Grenzen?
Er fühle sich nicht manipuliert, wenn in der Kantine zuerst das Salatbuffet komme und erst dann die fettigen Speisen, erwidert Richard Thaler. Und vergleicht die Schubser mit einem GPS. Da wähle man auch selbst das Ziel. Das GPS liefere lediglich die beste Route, die man freilich auch ignorieren könne. Er, so Thaler, liefere ein GPS fürs Leben.
Ein GPS – um im Bild zu bleiben – mit noch vielen weissen Flecken. Und die Routen für die wirklich drängenden Probleme wie den menschgemachten Klimawandel: Die hat auch Richard Thaler noch nicht berechnet. Trotzdem gilt er auch dieses Jahr wieder als Anwärter für den Wirtschaftsnobelpreis.