In der Schweiz gibt es hunderte wissenschaftlicher Sammlungen. Sie gehören zum kulturellen Erbe und sind im Schweizerischen Kulturgüterschutz-Gesetz aufgeführt. Die grösste Bedeutung haben sie heute für die Forschung.
Ein Beispiel: Nur dank der DNA-Analysen einer historischen Fisch-Sammlung konnten Wissenschaftler der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, vor zwei Jahren in einer weltweit beachteten Studie nachweisen, wie viele Arten in Schweizer Seen bereits ausgestorben sind. Eine Sammlung notabene, welche die Forscher zuvor aus einem Abfall-Container gerettet hatten.
Der Fragebogen an die Hochschulen
Der Wert von wissenschaftlichen Sammlungen müsste also unbestritten sein. Das SRF-Wissensmagazin «Einstein» wollte darum mit einer nicht-repräsentativen Umfrage von den Universitäten Bern, Basel, Zürich und der ETH Zürich wissen, wie sie ihre Verantwortung für die Sammlungen wahrnehmen.
Die Antworten sind ernüchternd: Die angefragten Hochschulen haben laut der Umfrage
- keine institutsübergreifenden Richtlinien für den Umgang mit wissenschaftlichen Sammlungen.
- keinen Gesamtüberblick über die Mittel, die sie für ihre Sammlungen einsetzen. Es fehlen Budgets für Sammlungen; die Kosten werden über allgemeine Betriebskredite abgerechnet.
Die Probleme liegen in der Geschichte der Sammlungen begründet, deren Hochblüte das ausgehende 19. Jahrhundert war. Meist als universitäre Lehrsammlungen aufgebaut, stieg mit der Möglichkeit von Gen-Analysen auch das Interesse der Forscher stark: Gerade in der hochaktuellen Biodiversitäts-Forschung sind viele Sammlungen als Referenz-Genpool mittlerweile unverzichtbar.
Die Institute haben häufig weder Geld, Platz noch Zeit
Die Sammlungen sind heute im besten Fall im Besitz von universitären Museen, zu deren Kerngeschäft die Betreuung und die Pflege von Präparaten und Objekten gehört. Oft aber liegt die Verantwortung bei einzelnen Instituten oder Professoren. Der Historiker Flavio Häner befasst sich seit Jahren mit Sammlungen und weiss: «Die Institute haben häufig weder Geld, Platz noch Zeit und die Professoren oft kein Interesse, sich um ihre Sammlungen zu kümmern. Besonders wenn diese ihre aktuelle Forschung nicht tangieren.»
Die Folgen sind laut Häner gravierend: «Sammlungen werden oft stark vernachlässigt oder gar entsorgt und sind so für künftige Forschergenerationen für immer verloren.»
Sammlungs-Berichte in Zürich und Basel
Die ETH Zürich lässt zurzeit einen Bericht über die aktuelle Situation und künftige Strategien erstellen. Einen Bericht zu den Sammlungen hat die Universität Basel bereits publiziert.
Verfasser ist des Basler Berichts ist der Sammlungs-Experte Flavio Häner. «Viele Sammlungs-Objekte der Uni Basel sind nicht ausreichend dokumentiert», sagt er, «ihre Konservierung ist nicht gewährleistet und die Verantwortung für die Objekte ist nicht klar definiert.»
Geldmangel als Gefahr für Sammlungen
Wenn Basel als erste Hochschule solch schwerwiegende Mängel eingesteht, wie gross ist der Handlungsbedarf bei anderen Schweizer Hochschulen? Historiker Flavio Häner macht sich keine Illusionen: «An einer Fachtagung im letzten Herbst hat sich gezeigt, dass Schweizer Hochschulen zu wenig Mittel für den Erhalt ihrer Sammlungen einsetzen.»
Das Ausland als Vorbild?
Häner fordert darum ein nationales Gremium, das künftig die Verantwortung für die wissenschaftlichen Sammlungen übernimmt, so wie die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland. Für den Sammlungsexperten ist klar: Es muss Aufgabe des Bundes sein, dieses kulturelle Erbe auch für künftige Forschergenerationen zu erhalten.