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Mensch Schlechte Zeiten für die Wissenschaftsforschung

Wie entsteht Wissen? Wie verändert es sich, wenn private Interessen ins Spiel kommen? Mit solchen Fragen befasst sich die Wissenschaftsforschung. «Befasste sich» muss es in Basel heissen, denn die Universität hat einen wichtigen Lehrstuhl jüngst abgebaut.

Die Wissenschaftsforschung ist eine eher junge Disziplin. In der Schweiz entstanden die ersten Professuren in den 1990er-Jahren. Doch an der Universität Basel hat das «Programm Wissenschaftsforschung» gerade mal zehn Jahre existiert.

Studieren liess es sich von Anfang an nur ergänzend zu anderen Fächern. Doch Programmleiterin Sabine Maasen war ordentliche Professorin und in der Forschung gut verankert. Nun zieht sie nach München. Und Basel baut ihren Lehrstuhl ab. Die Wissenschaftsforschung stehe vor dem Aus, titelte daher kürzlich die Zeitung «Tages Woche».

Eingangsbereich der Uni Basel.
Legende: Uni Basel: Die Gelder für Wissenschaftsforschung werden gestrichen – die Gelder gehen unter anderem an das Europainstitut Basel. Keystone

Noch kein «Tabula Rasa»

Das stimmt für Basel. Doch gilt es auch für die Schweiz? Wer betreibt überhaupt Wissenschaftsforschung hierzulande? Marcel Weber, Wissenschaftsphilosoph an der Universität Genf, sagt: «Meines Wissens gibt es in der Deutschschweiz zwei Professuren mit der Bezeichnung ‹Wissenschaftsforschung›, wobei beide Professoren einen geschichtlichen Blickwinkel haben – ebenso wie die Westschweizer Kollegen in Genf und Lausanne.»

Neben dieser Handvoll Wissenschafts-Historiker haben sich in der Schweiz auch ein paar Philosophen – wie Marcel Weber selbst – der Wissenschaftsforschung verschrieben. Es herrscht also noch nicht «Tabula rasa», vor allem, wenn man auch die verwandten Gebiete der Technikgeschichte und Medizingeschichte miteinbezieht.

Keine soziologische Perspektive mehr

Trotzdem – der Abbau in Basel sei gravierend, findet Marcel Weber: «Die Professur in Basel war die einzige, die Wissenschaftsforschung aus einer soziologischen Perspektive betrieben und damit die Wissenschaft in Interaktion mit der heutigen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik untersucht hat.»

Die Wissenschaftsforschung in Basel war also modern ausgerichtet. Sie hat zum Beispiel untersucht, warum das Thema «Gehirn» heute in der öffentlichen Diskussion so präsent ist; sie hat untersucht, welchen Stellenwert die Geisteswissenschaften neben den Naturwissenschaften haben oder wie es die Forschung beeinflusst, wenn sie – zum Beispiel durch private Firmen – fremdfinanziert wird.

«Forschungspolitisch ein Blindflug»

Solche Fragen sind am Puls der Zeit und nah bei den Leuten und ausgerechnet diese Fragen sind in der Schweizer Wissenschaftsforschung nun mit keinem Lehrstuhl mehr vertreten. Weber hält das für bedenklich, gerade für die Schweiz sei die Wissenschaft von ausserordentlicher Bedeutung. Wenn man es unterlasse, die Wissenschaft im gesellschaftlichen Kontext zu untersuchen, befinde man sich forschungspolitisch in einem Blindflug.

Versteckte negative Folgen

Der Abbau der soziologischen Wissenschaftsforschung in der Schweiz hat aber auch Folgen für die Forschung selbst: Der Schweizerische Nationalfonds bewilligt, um eine seriöse wissenschaftliche Betreuung zu garantieren, nur Forschungsprojekte, die mit einem universitären Lehrstuhl gekoppelt sind, und wenn der nicht mehr existiert, gibt es auch kein Forschungsgeld. Da kann ein Projekt noch so gut sein.

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