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Mensch Skikjöring – halsbrecherischer Ritt auf der Rennbahn

Am White Turf, den internationalen Pferdesportrennen in St. Moritz, messen sich jedes Jahr an drei Sonntagen im Februar Grössen des Pferdesports. Dabei gehört neben den klassischen Disziplinen Flach- und Trabrennen auch das Skikjöring dazu.

Der zweite Rennsonntag am White Turf in St. Moritz: Auf der Zuschauertribüne sind alle Augen auf die Startbox gerichtet, wo die Pferde ungeduldig gegen das Gitter der Box drücken. «Nur noch wenige Augenblicke bis zum Start des Skikjöring-Rennens», erschallt es aus den Lautsprechern. Es wird für einen Moment mucksmäuschenstill, dann zerreisst der Klang der Startglocke die Stille. Die Gittertüren der Startboxen springen auf, die Pferde preschen los. Aber ohne Reiter. Stattdessen hängt, verbunden über ein spezielles Geschirr, ein Skifahrer an jedem Pferd. Vor den zehn gestarteten Fahrern liegen zwei Rennbahn-Runden, insgesamt 2700 Meter.

«Schnurfahren» in St. Moritz

Schon vor mehr als 100 Jahren hatte eine Handvoll Skibegeisterter die Idee, sich bei einem Rennen von Pferden ziehen zu lassen. Inspiriert worden waren sie von Skandinaviern, die sich zu Transportzwecken im Schlepptau von Rentieren, Hunden oder eben Pferden befördern liessen. Daher auch der Name Skikjöring, der vom norwegischen «Snörekjöring» abgeleitet ist, was «Schnurfahren» bedeutet.

Skikjöring.
Legende: In den Anfängen: Skikjöring auf der Via Serlas beim Grand Hotel in St. Moritz Keystone

Der Start zum ersten Engadiner Skikjöring-Rennen fiel 1906 auf dem Postplatz in St. Moritz. Zittrig auf ihren Holzskiern stehend liessen sich die Pioniere von ihren Pferden vom Postplatz bis nach Champfèr und wieder zurück ziehen. Eine Strecke von knapp 10 Kilometern zu der die 13 Fahrer im Minutentakt starteten.

Ein Jahr nach der Premiere wurden die Rennen erstmals auf dem gefrorenen St. Moritzersee ausgetragen – beim ersten offiziellen Pferderennen von St. Moritz. Der Start erfolgte im Pulk, was den Zuschauern in den folgenden Jahren so manches Mal den Atem stocken liess: Pferde rissen aus, Leinen verhedderten sich, Ski verkanteten. Gefährliche Stürze und Verletzungen gehörten zum Spektakel dazu. So ging das Jahr 1965 in die Annalen ein, als nach zahlreichen Stürzen kein einziger Fahrer das Ziel erreichte. Als Folge davon wurde das Skikjöring stärker reglementiert. Farbige Ski wurden Pflicht, damit sie von den Pferden im Schnee besser erkannt werden. Auch unterzog die Rennleitung alle Fahrer im Vorfeld der Rennen einer Prüfung, die bis heute Bestand hat. Dazu gehört der Umgang mit dem Pferd und seit einiger Zeit auch ein Skifahr-Test.

Eine Männerdomäne? – nein!

Das «K» macht den Unterschied

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: Keystone

Die St. Moritzer können ihr Skikjöring-Rennen bis heute als «weltexklusiv» verkaufen. Es gibt zwar, unter anderem in Arosa, ähnliche Sportevents, allerdings ist es dort Skijöring, also ohne «k». Beim Skijöring sind die Pferde beritten, der Fahrer braucht somit keine Zügel.

Das Skikjöring hat sich über die Jahrzehnte fest im Terminkalender von St. Moritz verankert. Lediglich zu Beginn des zweiten Weltkrieges kam es zu einem Unterbruch der St. Moritzer Pferderennen. Doch 1952 wurden sie ein zweites Mal aus der Taufe gehoben – und mit ihnen auch das Skikjöring. Bis heute ist dieser Sport fast ausschliesslich in Männerhand. Doch das war nicht immer so. Um 1908 gehörten Frauen-Skikjöring-Rennen zu den Attraktionen. In Röcken und ohne Helme liessen sich die Damen über die Rennbahn ziehen (siehe Video unten).

Später wurde diese Disziplin abgeschafft. Erst 1983 wagte sich wieder eine Frau an den Start. Die Churerin Hedy Danuser brach sich jedoch den Fuss, kam dadurch nicht ins Ziel und beendete ihre kurze Karriere sogleich wieder. Erst 26 Jahre später versuchte sich erneut eine Frau. Die 18-jährige St. Moritzerin Valeria Holinger war 2009 nach langen Jahren die erste Frau, die das Ziel erreichte. Sie ist bis heute dabei, als einzige Frau.

Auch an diesem zweiten Renntag am White Turf  gehört Valeria Holinger zum Feld. Ihr Vollblutpferd First Stream schafft es im Rennverlauf bis an die Spitze. Doch auf den letzten Metern scheinen die Kräfte des Pferdes zu schwinden. Am Schluss resultiert Platz 5. Den Sieg holt sich an diesem zweiten von insgesamt drei Rennsonntagen die Stute Mombasa mit ihrem Fahrer Adrian von Guten aus Burgdorf bei Bern. Die beiden sind die grossen Favoriten und reüssierten bereits am ersten Rennsonntag.

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