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Höhlenmalereien in der rekonstruierten Höhle.
Legende: Pferde, Auerochsen und Nashörner: Ein eindrucksvolles Beispiel zeigt, wie weit entwickelt die Malereien sind. Reuters

Mensch Steinzeitkunst-Galerie – bald für alle

Die Höhlenmalereien der Grotte Chauvet in Frankreich dokumentieren Menschheitsgeschichte. Die Höhle ist streng geschützt. Doch in wenigen Monaten wird eine aufwändig gefertigte Replik Einblicke in die faszinierenden Kunstwerke der Altsteinzeit gewähren – für jedermann.

Auf den kurvigen kleinen Strassen durch die Ardèche-Region in Südfrankreich sind es knapp neun Kilometer: eine kurze Strecke, die auch eine Zeitreise von mehr als 30'000 Jahren ist. Sie beginnt an der Grotte Chauvet bei Montélimar, die von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt wurde – wegen der einzigartigen Tierzeichnungen darin, die aus mehreren Phasen der jüngeren Altsteinzeit stammen. Und endet bei der aufwändigen Kopie der Höhle, die in den vergangenen drei Jahren entstanden ist.

Im April wird sie unter dem Namen Caverne du Pont d'Arc eröffnet. Dann liefert sie Interessierten einen detailgetreuen Eindruck des streng geschützten Originals. Für die Replik erfassten Experten die Steinzeit-Höhle mit einer riesigen «Wolke» von Messpunkten, um die Formen des Gesteins nachzuzeichnen. Diese Daten wurden dann mit 6000 Fotos kombiniert. So entstand im Rechner ein 3D-Modell – der Ausgangspunkt für die reale Rekonstruktion.

Millionen für ein Kulturdenkmal

Die Replik zeigt jedoch nicht alles. Sie verdichtet ausgewählte Teile der Originalgrotte auf 3000 Quadratmeter Grundfläche. Inklusive Wänden und Decken sind mehr als 8000 Quadratmeter Höhle aus Harz und Naturmaterialien nachgebildet. Inklusive Details wie Knochen von Höhlentieren, die in der echten Höhle seit tausenden Jahren liegen. 35 Firmen waren an dem Nachbau beteiligt; sie bebauten ein insgesamt 27 Hektar grosses Gelände. Die Kosten: 55 Millionen Euro.

Gilles Tosello bei der Arbeit
Legende: Millimeterarbeit: Der französische Künstler Gilles Tosello fertigt eine möglichst genaue Kopie der originalen Gemälde in der Höhle an. Reuters

Der Kunstgrafiker und Prähistoriker Gilles Tosello hat die berühmten Fresken von Pferden und Löwen realisiert. Er spricht mit Andacht von «sehr, sehr weit entwickelter Kunst» des Originals. «Die Symbole, die Tiere erzählen Geschichten», sagt er, «das ist sehr komplex für die damalige Zeit.» Nach ungezählten Aufenthalten in der Höhle habe er die Arbeiten für die Kopie in seinem Atelier in Toulouse in drei bis vier Monaten umgesetzt.

Beeindruckt zeigt sich Tosello etwa von den Löwen: «Das haben die Künstler alles ohne Vorlage gezeichnet – aus dem Kopf». Noch dazu bei wenig Licht, denn in den Höhlen gab es damals vielleicht gerade mal zwei Fackeln.

Einzigartige Bildergalerie auf Stein

Sensationsfund in Frankreich

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Vor gut 20 Jahren, am 18. Dezember 1994, entdecken die drei Höhlenforscher Jean-Marie Chauvet, Éliette Brunel und Christian Hillaire die Grotte. Sie wurde nach dem Initiator der Erkundung benannt. Dass das Innere der Höhle erstaunlich unversehrt blieb, liegt daran, dass ihr Eingang mindestens 20'000 Jahre lang durch Fels verschlossen war.

Nachdem die Zeichnungen in der Chauvet-Grotte entdeckt worden waren (siehe Infobox), dachten Fachleute zunächst, dass es die ältesten bekannten Gemälde der Menschheit seien. Doch später wurden die Messungen korrigiert: Die deutlich simpleren Hand-Abbildungen in der Höhle von El Castillo in Spanien sind mit 40‘000 Jahren noch älter als die maximal gut 30'000 Jahre alten Chauvet-Kunstwerke.

Dennoch ist die Galerie in der 8500 Quadratmeter grossen Grotte einzigartig: Ihre Einmaligkeit verdankt sie einer Kombination von Besonderheiten. Die Reliefs zeigen im Gegensatz zu anderen Höhlen nicht nur gejagte Arten wie Pferde, Kühe oder Steinböcke, sondern auch Feinde der Urzeitmenschen wie Höhlenlöwen, Bären, Panther und sogar Rhinozerosse.

Das Original? Nur für Auserwählte

Mit der Replik zieht man laut dem verantwortlichen Architekten Xavier Fabre auch Lehren aus den spanischen Höhlen, wo die hohe Anzahl der Besucher den Erhalt der Malereien gefährde. Die Ausstellungsmacher rechnen mit rund 350‘000 Besuchern pro Jahr.

Von der Kunstfertigkeit und Qualität der Replik zeigen sich nicht nur die Erschaffer der Kopie und Kenner des Originals überzeugt: Die französische Ausgabe des renommierten Fachmagazins «National Geographic» nennt die Kopie bereits respektvoll «die andere Grotte Chauvet».

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