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Foto vom Gitter der Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf.
Legende: Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf: Hier sitzen viele Sexual- und Gewaltstraftäter ein. Die Redaktion von «Schweiz aktuell» recherchierte vor Ort. Keystone

Mensch Viele Hürden für Vergewaltiger vor dem Freigang

Nachdem ein Sexualstraftäter in Genf eine Sozialtherapeutin getötet hat, steht das Therapiegeheimnis unter Beschuss. Im Kanton Zürich werden Informationen aus der Therapie mit Vollzugsbeamten oder der Gefängnisleitung geteilt. Und die Rückfallquote von behandelten Gewalttätern ist messbar tiefer.

Menschliche Abgründe auf Papier stapeln sich auf seinem Pult: Kriminalpsychologe Jérôme Endrass ist Gutachter von Sexual- und Gewaltstraftätern. Für «Schweiz aktuell» öffnet er die Akte von Musterfall Andreas D., den es so ähnlich in der Realität gibt. Wegen Vergewaltigung wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Zudem sieht das Urteil eine Therapie-Massnahme vor.

Für ihre Umsetzung ist im Kanton Zürich der Psychiatrisch-Psychologische Dienst zuständig, dem Endrass angehört. Hier wird Andreas D. – nach dem Gerichtsgutachten – noch einmal genau durchleuchtet. Endrass und sein Team versuchen dabei, die Risikofaktoren zu identifizieren, die bei Andreas D. zur Tat geführt haben.

Therapieziel: Rückfallrisiko senken

Eigenschaften wie Vergewaltigungsfantasien, sadistische Züge oder fehlende Empathie: Die Risikofaktoren sind individuell verschieden. Ziel der Therapie ist es, diese Faktoren zu reduzieren, erklärt Endrass: «Wir schauen, ob sich in diesen Bereichen während der Behandlung substantiell etwas verändert.»

Es steht also nicht die Therapie der Persönlichkeit als Ganzes im Zentrum, sondern eine Reduktion des Rückfallrisikos. Der Behandlungserfolg wird regelmässig geprüft.

Risiko-relevante Erkenntnisse aus der Therapie bespricht der behandelnde Psychologe laufend mit anderen Fachleuten im Zürcher Amt für Justizvollzug. Gemeinsam mit der Gefängnisleitung und dem zuständigen Vollzugsbeamten wird so das Bild eines Täters vervollständigt.

Freigang als Teil der Therapie

Die Strafe von Andreas D. ist begrenzt. Ob Wirtschaftskrimineller, Mörder oder Vergewaltiger: Jeder Mensch soll grundsätzlich die Chance haben, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren und in Freiheit zu leben. So will es der Schweizer Rechtsstaat, geprägt vom heutigen Menschenrechtsverständnis.

Doch bis Andreas D. wieder einen Fuss vor die Gefängnismauern setzen darf, muss er in seiner jahrelangen Therapie messbare Fortschritte machen. Erst wenn ihm die Fachleute in einem mehrstufigen Beurteilungsverfahren ein sehr geringes Rückfallrisiko attestieren, wird sein Vollzug gelockert.

Dann sind über eine Phase von mehreren Monaten begleitete Freigänge möglich. Sie werden als Teil der Therapie betrachtet, wobei sich der Täter – nach seiner jahrelangen Isolation im Gefängnis – wieder an die Aussenwelt gewöhnen soll, so wie andere Insassen auch.

Rückfallrisiko trotz wirksamer Behandlung

Untersuchungen in Zürich zeigen: Behandelte Sexual- und Gewaltstraftäter haben eine Rückfallrate von drei Prozent, unbehandelte eine von acht Prozent. Auf den ersten Blick ist das zwar kein grosser Unterschied, doch Jérôme Endrass sieht es so: «Wenn wir nur schon einen Täter daran hindern können, rückfällig zu werden, können wir weitere Opfer und viel Leid verhindern.»

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