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Stewardess der Swissair 1977.
Legende: Die guten Engel der Swissair: 1977 kümmerten sich die Schweizer Air Hostessen in modisch hellblauer Uniform um die Flugpassagiere. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz

Mensch Wir waren die Serviertöchter der Lüfte

Mia Müller war Flugbegleiterin, als das Schweizer Flaggschiff der Luftfahrt noch Swissair und Flugbegleiterinnen Air Hostessen hiessen. Die heute 60-Jährige erinnert sich an die 1970er-Jahre, als die Swissair für ihr Catering weltberühmt war.

«Einstein»: Es heisst, in den 1970er-Jahren wurde in der ersten Klasse noch flambiert – stimmt das?

Mia Müller:  Naja, nicht gerade mit grosser Stichflamme. Aber ich erinnere mich tatsächlich an ein Dessert «Baked Alaska», Eis mit Meringue, das wir mit Alkohol übergossen und flambiert servierten.

Lange war das Catering-Geschäft für die Swissair einträglicher als das Fluggeschäft. Was bedeutete das Essen in der Swissair?

Ex-Stewardess Mia Müller.
Legende: «Bei der Swissair entdeckte ich meine Liebe zum Gourmet-Kochen»: Heute kocht Mia Müller mit Leidenschaft und betreibt einen Limousinenservice in Zürich. SRF

Die Swissair war damals berühmt für ihr Catering. Und für viele Fluggäste war es auch ein Stück Zuhause, das fing schon bei der Begrüssung mit einem Grüezi an. Über ein Zürcher Geschnetzeltes oder Wurst wurde sich oft richtig gefreut. Ich erinnere mich an eine Zeit, da wurde in der ersten Klasse sogar Raclette serviert, so richtig mit halbem Käselaib und Messer zum Abschaben. Das roch bis runter in die Economy-Class.

Wo es wahrscheinlich kein Raclette gab, oder?

Nein, das nicht. Aber damals bekamen Reisende der Economy kein schlechteres Essen. Der Unterschied lag in der Präsentation. In der ersten Klasse wurde jeder Gang einzeln serviert, auf Porzellan und mit Stoffservietten, das ist ja bis heute so. Aber damals hatte das Essen grundsätzlich einen anderen Stellenwert. Heute wird es in unserer Gesellschaft viel mehr zelebriert, wir essen andauernd, haben so viel Auswahl. Damals ass der Normalbürger Hausmannskost. Dadurch war das Essen im Flieger wirklich etwas Besonderes. Hinzu kommt, dass es damals noch keine Bildschirme im Flugzeug gab, auf denen Filme oder Videospiele liefen. Das Essen war eine gute Abwechslung, da hatte man schon mal drei Stunden herumgebracht. Es gehörte einfach zum Flugerlebnis.

Sie sind in den 70er-Jahren geflogen dann wieder ab Mitte der 80er. Haben Sie da eine Veränderung in der Esskultur feststellen können?

Ja. Das Essen war nicht mehr so gut, besonders die Economy hatte nachgelassen. Begonnen hat das, als 1983 die Business-Class eingeführt wurde, die bei innereuropäischen Flügen die First-Class ablöste. Eigentlich war das weniger die Einführung einer neuen Klasse, als die Abwertung der Economy, in der es nun Plastik und Papierservietten gab. Damals war aber auch die Zeit, in der man erstmals das Wort Sparen hörte; als immer mehr Menschen in den Urlaub fuhren und die ersten Billigflieger auftauchten.

Haben Sie damals auch in der Galley, der Kabinenküche gearbeitet?

Nein, als ich 1975 meine Ausbildung abgeschlossen hatte, gab es noch eine ganz klare Trennung: Männer, man nannte sie Stewards, arbeiteten in der Galley und Frauen, die Air Hostessen, bedienten.

Eine Stewardess in der Galley einer Douglas DC-9 der Swissair (1977).
Legende: Weltberühmtes Swissair-Catering: Eine Stewardess in der Galley einer Douglas DC-9 der Swissair (1977). ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz

Wieso diese Unterteilung?

Es braucht ganz schön Kraft, um in der Galley alle die Schlubladen, Türen und Container zu bedienen. Ende der 70er-Jahre wurde dann auch Frauen angeraten, die Galley-Ausbildung zu machen. In den 80ern wurde sie für alle fester Bestandteil des Jobs.

Waren Sie damals stolz auf Ihren Job?

Ich persönlich fand es einfach toll, umsonst überall hinfliegen und die Welt entdecken zu können. Letztlich waren wir jedoch nichts anderes als Serviertöchter in der Luft. Deshalb habe ich immer am liebsten in der Economy gearbeitet. Für die meisten Menschen dort war das Fliegen wirklich etwas Besonderes, man konnte sie mit gutem Service ehrlich zufrieden und glücklich machen. In der Business-Class gab es so viele Vielflieger, da wurde viel mehr gemäkelt.

Sind Sie manchmal wehmütig, dass es die Swissair nicht mehr gibt?

Nein, gar nicht. Ich finde einfach, dass der Zusammenbruch hätte vermieden werden können. Nur um die berühmten Swissair-Brötchen, um die tut es mir leid!

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