Emily Finn ist eine junge Doktorandin an der Universität von Yale (USA) und hat soeben einen ziemlichen Coup gelandet: Sie veröffentlichte im Fachblatt «Nature» einen Artikel , der in der Fachwelt mit grossem Interesse aufgenommen wurde. Aber auch für Laien sind ihre Erkenntnisse interessant: Zum einen gelang ihr der Bildbeweis, dass wir alle gedanklich ein bisschen anders ticken. Und zum anderen konnte sie aufgrund von Hirnbildern voraussagen, wie gut jemand in Intelligenztests abschneiden würde. Doch der Reihe nach.
Zwillinge denken anders
Emily Finn untersuchte Hirnscans aus dem Human Connectome Project , dessen Ziel die Entschlüsselung der Gehirnverbindungen ist (siehe Box). Die Probanden wurden dafür an zwei verschiedenen Tagen insgesamt sechs Mal bei unterschiedlichen Aufgaben gescannt. Finn untersuchte nun die Aktivität an 268 Knotenpunkten im Gehirn und erstellte eine Matrix: Wie stark kommuniziert jeder Knoten mit jedem anderen Knoten? Heraus kam ein sehr individuelles Muster für jeden untersuchten Probanden.
Mit diesem Musters gelang es der jungen Wissenschaftlerin, Gehirnscans einer bestimmten Person zuzuordnen, egal ob die Scans in Ruheposition oder je beim Ausüben verschiedener Aufgaben gemacht wurde. Die Zuordnung gelang ihr sogar dann, wenn es sich bei den Testpersonen um eineiige Zwillinge handelte.
Endlich der Blick aufs Individuum
Dieser Coup mag auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheinen, weil er eine Intuition bestätigt, die sich aus Alltagserfahrungen aufdrängt: Jeder tickt und denkt ein wenig anders. Dafür den wissenschaftlichen Beweis zu erbringen, ist aber eine andere Sache.
Zumal in der Hirnforschung lange vor allem versucht wurde, Gemeinsamkeiten und allgemeine Muster zu finden; man kontrastierte zum Beispiel die Hirnscans von gesunden Personen mit solchen von Alzheimerkranken, oder Scans von Menschen im Ruhezustands mit solchen, die an einer Knobelaufgabe sassen. Die immer präziseren Messmethoden ermöglichen nun erstmals, den Blick aufs Individuum zu richten. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Und tatsächlich konnte Finn zeigen, dass die Hirnbilder Rückschlüsse auf die Intelligenz erlauben.
Intelligenz vorhersagen?
Sie schaute sich dazu die Hirnregionen mit den grössten individuellen Unterschieden an: den Stirn- und den Scheitellappen. Je mehr die Nervenzellen dort miteinander kommunizierten, desto besser schnitten die Probanden in Intelligenztests ab.
«Das ist ein ganz spannender Artikel», sagt John-Dylan Haynes, Hirnforscher an der Charité in Berlin und einer der führenden Forscher auf dem Gebiet. Man dürfe aber die Alltagstauglichkeit der Hirnmessverfahren nicht überschätzen. «Sie können ganz beruhigt sein: ein MRI-Scan wird ganz sicher kein Assessment-Center ersetzen können. Dafür ist die Technologie zu wenig präzise und zu aufwendig.»
Die Forscher hoffen aber, mit ihrer Grundlagenforschung dazu beizutragen, dass psychische Krankheiten wie Schizophrenie früher und genauer erkannt und entsprechend besser behandelt werden können.