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Musizieren mit Apps
Aus Wissenschaftsmagazin vom 02.04.2016. Bild: Imago / Mito
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Mensch Mit dem Smartphone musizieren lernen

Handys in den Unterricht integrieren statt sie zu verbieten – das proben einzelne Schulen und nutzen die Smartphones etwa im Musikunterricht. Doch der Einsatz zeigt: Es gibt noch einige Hürden zu überwinden.

Wenn man den Gang zu den Musikräumen des Geschwister-Scholl-Gymnasiums im deutschen Pulheim entlang geht, hört man sie schon: Die Sechstklässler von Musiklehrer Philip Stade. Aus dem Klassenzimmer erklingen Handytöne, Synthesizer-Klänge und klassische Musikinstrumenten bunt durcheinander. Die Schülerinnen und Schüler sind gerade dabei, eine Filmmusik zu komponieren.

Appinstrumente mit Gruseleffekt

Aus einer Ecke des geräumigen Musikraums erklingt eine leise, gespenstische Melodie. Alina und Klara haben sie für ihren Gruselfilm komponiert – und zwar mit einer Instrumenten-App, die sie auf ihrem Smartphone installiert haben. Die beiden zwölfjährigen Mädchen sind nicht die einzigen, die für ihren Soundtrack auf herkömmliche Instrumente verzichtet haben. Die Synthesizer-Apps, die die Kinder für ihre Projekte genutzt haben, heissen «Plasma Sound» und «Saucillator» (Android), «SoundPrism» oder «SSSSYNTH» (iOS).

Es gibt mehrere hundert bis tausend verschiedene Apps, um Musik zu machen. Statt über Tasten, Saiten oder Klappen, werden die Töne erzeugt, indem man mit einem oder mehreren Fingern über das Touch-Display streicht. So entstehen Melodien oder Akkorde, die oft zusätzlich auf dem Display visualisiert werden.

Über das Programm-Menü der Apps können dazu noch Bässe, Tonalitäten oder Effekte eingestellt werden. Einige App-Instrumente verfügen über ein umfangreiches Repertoire an zusätzlichen Sound-Elementen, fast so wie ein echtes Keybord. Und auch die Bedienung solcher App-Instrumente erfordert etwas Übung.

Musik-Apps auch in der Schweiz im Einsatz

Noch steckt der Einsatz von Instrumenten-Apps für den Musikunterricht in den Kinderschuhen. Einige Vorteile konnten die Sekundarschule Frauenfeld und die Pädagogische Hochschule Thurgau zeigen. Knapp drei Jahre lang wurde in einer kleinen Schulklasse mit iPads gearbeitet. Der methodisch-didaktische Schwerpunkt lag auf dem Fach Musik. Fazit: Den Jugendlichen der iPad-Klasse seien die Rhythmusübungen leichter gefallen als in in den Klassenzügen davor. Zudem, so der Projekt-Bericht, hätten die Jugendlichen gelernt, «aufeinander zu hören, zu zählen und Arrangements zu erstellen».

Auch für Appinstrumente brauchts Übung

Auch an der Universität der Künste in Berlin werden derzeit die Grenzen und Möglichkeiten von Smartphones oder Tablets im Musikunterricht erforscht. Matthias Krebs ist Musikpädagoge an der Forschungsstelle Appmusik und selbst Appmusiker. Das «Schöne» bei den Appinstrumenten sei, so Krebs, «dass man mit Smartphones und Tablets bei der Musik ansetzen kann, mit der die Kinder und Jugendlichen auch in ihrem Alltag umgehen».

Kritisch sieht er allerdings Apps, die klassische Musikinstrumente nachahmen. Sie würden eine «Leichtigkeit vorgaukeln, welche die Motivation und das Durchhaltevermögen der Kinder und Jugendlichen schädigt, indem sie schnell die Musik-Apps wechseln und sich ablenken lassen.»

Lehrer brauchen Eigeninitiative

In den schulischen Lehrplänen ist und war der Einsatz digitaler oder elektronischer Medien im Unterricht bisher bestenfalls eine Randnotiz - sowohl in Deutschland, als auch in der Schweiz. Auch ist der Einsatz von Smartphone- oder Tablet-Apps im Unterricht für die Lehrerinnen und Lehrer nicht verpflichtend. Philip Stade vom Geschwister-Scholl-Gymnasium, musste sich jedenfalls selber in seiner Freizeit in die Funktionsweise der Apps einarbeiten, wie er sagt.

Schwierig wird es dann, wenn die Schulen keine aktuellen und kostenlosen Smartphones oder Tablets für den Schulunterricht bereit stellen. Und das ist bei vielen Schulen derzeit der Fall. In der Musikklasse von Philip Stade gab es ein paar Kinder, die gar kein Smartphone hatten oder nur ein veraltetes Modell besassen. Sie mussten ihre Filmmusik daher mit klassischen instrumenten komponieren.

Digitale Zukunft an den Schulen

Was die flächendeckende Ausstattung der Schulen mit Smartphones oder Tablets betrifft, könnte sich das bald ändern: Der neue «Lehrplan 21», der von der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz als kantonsübergreifender Lehrplan entwickelt wurde, hat nicht nur ein neues Fach «Medien und Informatik». Im Fachbereich Musik sollen die Schülerinnen und Schüler in Zukunft mit Apps Rhythmen erfinden und elektronische Medien wie Smartphones zum Musizieren benutzen.

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