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Neue Studie Im Hirn zeigt sich, wer bei Vorschriften trotzig wird

Nicht alle Menschen reagieren gleich auf Vorschriften: Wir haben einen unterschiedlich grossen Drang, Entscheidungen selbst zu fällen.

Forscher der Universitäten Bern und Konstanz haben nun erstmals herausgefunden: Der individuelle Drang nach Entscheidungsfreiheit ist im Gehirn messbar. Sarah Rudorf vom Psychologischen Institut der Universität Bern hat diese neu veröffentlichte Studie mitgeleitet.

Sarah Rudorf

Sarah Rudorf

Psychologin

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Sarah Rudorf ist Doktorin an der Abteilung Sozialpsychologie und Soziale Neurowissenschaft der Universität Bern.

SRF: Wie zeigt sich der Drang nach Entscheidungsfreiheit denn im Alltag?

Sarah Rudorf: Zum Beispiel mögen wir es gerne, selber zu entscheiden, was wir essen wollen. Wenn es jemand vorschreibt, dass wir etwas Gesundes Essen sollen – viel Broccoli zum Beispiel – dann führt es unter Umständen dazu, dass wir erst recht weniger Gemüse essen möchten. Das zeigt, dass wir einen Drang dazu haben, selber entscheiden zu können.

Wenn man Mitarbeitern Überstunden vorschreibt, kann es sein, dass sie weniger motiviert arbeiten.

Diesen Drang, selbst entscheiden zu können, kennt die Forschung ja schon lange. Auch weiss man, dass es verschiedene Menschen mit unterschiedlicher Entscheidungsfreudigkeit gibt. Durch ihre Studie ist dies nun aber auch im Gehirn messbar. Wie zeigt sich dies konkret?

Für diese Studie haben wir 51 Studierende eingeladen, an einem Versuch im Inselspital Bern teilzunehmen. Dort wurden die Personen in einen MR-Tomographen gelegt und gebeten, Geld zwischen sich und einer anderen Person aufzuteilen. Dabei konnten sie entweder frei entscheiden, oder bekamen von der anderen Person vorgeschrieben, wie viel Geld sie ihr abgeben sollten.

Wir fanden heraus, dass viele Personen durch die Einschränkung weniger grosszügig waren, als wenn sie frei entscheiden konnten. Durch den MR-Tomographen konnten wir die Hirnaktivierung messen, die während der Entscheidungen auftrat.

Vor dieser Studie wusste man nicht, ob der unterschiedliche Drang nach Entscheidungsfreiheit daher kommt, dass Menschen die Einschränkung unterschiedlich wahrnehmen.

Anhand der Hirnaktivierung konnten wir nun sehen, dass die Versuchspersonen die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit gleich wahrgenommen haben, dass sie aber trotzdem unterschiedlich darauf reagiert haben.

Menschen lassen sich nicht jede Vorschrift gefallen.

Für diese Studie arbeiten Sie mit dem Beispiel Geld. Lassen sich ihre Erkenntnisse auch für andere Lebensbereiche anwenden?

Ja. Wenn zum Beispiel ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern Überstunden vorschreibt. Es kann sein, dass einige Mitarbeiter dann weniger motiviert arbeiten, als wenn sie selbst über ihre Arbeitszeit entscheiden könnten.

Oder wenn ein Arzt seinen Patienten vorschreibt, wann und wie sie ihre Medikamente einnehmen sollen: Das kann dazu führen, dass die Patienten vielleicht weniger bereit sind, sich an genau diese Vorschriften zu halten.

Querschnitt durch ein Hirn in Gelb- und Rottönen.
Legende: Aufnahme eines Studienteilnehmers mit dem MR-Tomographen. Universität Bern

Wenn jetzt ein Arbeitgeber weiss, wie seine Arbeitnehmer anhand von Vorschriften entscheiden: kann er die Angestellten so in ihren Handlungen und Entscheidungen zu seinen Gunsten beeinflussen?

Das Ziel unserer Studie war nicht aufzuzeigen, wie man Menschen dazu bringt, sich an Vorschriften zu halten. Vielmehr wollten wir zeigen, dass Menschen sich in diesem Drang nach Entscheidungsfreiheit unterscheiden, und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen.

Zum Beispiel zeigen unsere Ergebnisse, dass das Verständnis für die Vorschrift eine wesentliche Rolle spielt. Das heisst auch, dass sich Menschen nicht jede Vorschrift gefallen lassen.

Das Gespräch führte Kevin Capellini.

Sendung: Radio SRF 4 News, 15.5.2018, 06:50 Uhr.

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