Manch einer wird das kennen: Durch eine dumme Bewegung fällt die bis zum Rand gefüllte Tasse um, der schaumige Kaffee läuft über den Tisch und versaut die Jeans vom Sitznachbarn. Hastig will man sich um Schadensbegrenzung bemühen – und schlägt sich dabei schmerzhaft das Knie an der Tischkante an.
Da hilft nur noch Schamesröte und eine möglichst charmante Entschuldigung – denn Absicht war das bestimmt nicht, sondern eher echte Schusseligkeit. Ein kleiner Trost: Solche Missgeschicke passieren uns allen, wenn auch nicht mit der gleichen Häufigkeit, denn sie sind kein Zufall.
Versagen für einen kurzen Augenblick
Die kleinen Aussetzer, die uns Namen vergessen, Adressen vertauschen und Kaffeetassen umwerfen lassen, hat Sebastian Markett in einer wissenschaftlichen Studie untersucht. Der Psychologe an der Universität Bonn beschreibt solche Schusseligkeiten als «Augenblicksversagen». Handlungen und Gedankengänge die wir eigentlich leicht beherrschen, gelingen uns dann einfach nicht.
Im Rahmen seiner Studie hat Markett mit einem Fragebogen hunderte Testpersonen den Grad ihrer eigenen Schusseligkeit einschätzen lassen. Gleichzeitig hat er eine Gen-Probe seiner Probanden genommen und mit den Ergebnissen der Fragebögen verglichen. Die erstaunliche Erkenntnis: Die Testpersonen mit hohen «Schusseligkeitswerten» in den Fragebögen sind signifikant oft Träger einer bestimmten Variante eines Gens, des sogenannten Dopamin D2 Rezeptor-Gens, kurz DRD2.
Schusseligkeit ist dominant – leider
DRD2 ist im Gehirn beteiligt, wenn es um Informationsprozesse mit dem Botenstoff Dopamin geht. Je nachdem, in welcher Variante es vorliegt, verursacht das Gen bei diesen Informationsprozessen kleine Aussetzer – die wohlbekannten Schusseligkeiten. Und ausgerechnet die Variante, die bei Ihren Trägern Vergesslichkeit und Tollpatschigkeit begünstigt, vererbt sich dominant. Egal also, ob Mutter, Vater oder gar beide es tragen – das Schussel-Gen setzt sich immer durch. Bei etwa 50 Prozent seiner Testpersonen hat Sebastian Markett die gesuchte Gen-Variante gefunden – inklusive bei sich selbst.
Am häufigsten berichten die Schussel-Gen-Träger laut Markett von Entscheidungsschwierigkeiten, Vergesslichkeit bei Namen, unauffindbaren Gegenständen und motorischen Ungeschicklichkeiten. Am seltensten wird von übersehenen Verkehrsschildern berichtet – wer die zu oft überfährt, dem wird man irgendwann auch keinen Fragebogen mehr vorlegen können, so die bestechend logische Erklärung des Wissenschaftlers.
Ein kleiner Trost für alle Schussel
Bezogen auf das Geschlecht der Testpersonen zeigen sich keine Unterschiede. Wenn es um genetische Schusseligkeit geht, nehmen sich Frauen und Männer also nichts – wenigstens dieses eine Mal.
Allen, die sich für besonders schusselig halten, hat die Wissenschaft nun also wenigstens eine Erklärung geliefert: Es liegt vielleicht an den Genen. Auch wenn ein echtes Gegenmittel bisher wohl noch nicht in Planung ist, hat Sebastian Markett als selbst Betroffener eine Hilfestellung parat: Er macht sich zu allem und jedem Notizen und hat feste Plätze für seine wichtigen Gegenstände.
Und auch diejenigen, bei denen selbst das nicht fruchtet, kann er trösten: Ein bisschen Schusseligkeit kann seinen Erkenntnissen nach durchaus charmant sein – und Charme kann man bekanntlich nie genug haben.